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Königlich= Baierisches
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Regierungsblat t.
XlII. Stück. München, Mittwoch den 16. März 1908.
Allgemeine Verordnungen.
—
(Die Armen= Pflege betreffend.)
Wir Maximilian Joseph,
von Gottes Gnaden König von Baiern.
In der Absicht, daß in Beziebung auf die
Armen. flege, als einen Zweck der Wohl-
tbätigkeic, für welchen Wir zwar durch meb-
rerevon Zeit zu Zeit erlassene und erneuerte Vor-
schriften Unsere besondere Aufmerksamkeit an
den Tag gelegt; gleichwohl aber bis jezt keinen
allgemeinen, der Wichtigkeit des Gegenstan-
des, und der Bestimmtheit Unsers Willens ent-
sprechenden Erfolg wahrgenommen haben,
nunmehr durch Unsere General: Administra-
lion des Stiftungs= und Kommunal: Verm-
gens, in Uebereinstimmung mit dem durch
das Edikt vom r. Oktober 1807 konstituirten
Organismus, theils das erfoderliche Fundi-
rungs-WVermögen regulirt, tbeils die
Verwendung und Verrechnung des-
selben festgesezt werde, ertheilen Wir biedurch
solgende organische Beschlüsse:
I. Titel.
Allgemeine Bestimmungen über
den Stand der Armutb.
1. Art. Der Anspruch auf die Armen-
Oflege kommt nur dem Sctande der Armuthzu.
2. Art. Dem Stande der Armuthb
gebört ein jedes Individuum an, welches we-
der aus eigenem Verm oͤgen, noch aus
dem Vermoͤgen jener Anverwandten,
welchen nach den Gesezen die Pflicht der Ali-
mentation oblient, noch aus der Arbeits-
Fäbigkeis seinen tebens-Unterhalt schöpfen
kann.
3. Art. Der Stand der Armuth zerfällt
in jenen der vollen, und in jenen der par-
tiellen Armuth.
4. Art. Der Stand der vollen Ar-
muth tritt mit dem gänzlichen Mangel
eines Vermögens und der Arbeils-Fäbigkeit
ein; der Stand einer partiellen Armuth
triet dann ein, wenn das Vermegen, oder die
Arbeits-Fähigkeit die Gewährung des tebens-
Unterbaltes nicht erfüllet.
Die Grade der partiellen Armuth sind
gänzlich individuell; sie können so ver-
schieden seyn, als die Verhältnisse aller Men-
schen in allen Ständen in Beziehung auf ihre
Vermögens; und Arbeits-Kräfte verschieden
sind.
§. Art. Die Gewährung des tebeno-
Unterpaltes eines Armen umfast die
Befriedigung seiner Bedürfnisse an Wob-
aung, Kleidung und Nahrung.
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