fullscreen: Gesetzsammlung für das Fürstenthum Reuß Älterer Linie. 1860.

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dings auf Anraten des Arztes, weiß ich nicht, sein Kind in das 
städt. Krankenhaus. Gestern Abend 6 Uhr ist das Mädchen gestorben. 
Todesursache: „Darmkatarrh“. 
5. Banreuth, 29. 5. 1911. 
An die Kgl. Regierung von Oberfranken! 
Weiter wird mir angezeigt: Der Knabe des Leonhard 
Schmäalzle, Heustraße 21, geboren am 27. 4. 1909, beim Impf- 
termin 1910 zurückgestellt, wurde am 5. Mai 1911 von seiner Mutter 
zur öffentlichen Impfung getragen. Er litt an englischer Krankheit, 
hatte schon verschiedene Male Krämpfe, hatte die Masern, Keuch- 
husten und eine Lungenentzündung durchgemacht und konnte trotz 
seiner 2 Jahre noch nicht einmal stehen. Frau Schmäalzle machte 
den Impfarzt besonders auf das sieche Kind, das ohnehin schon auf- 
fallen mußte, aufmerksam, da sie wegen der Impfung ängstlich war, 
doch achtete er, trotzdem er den Arm des äußerst schwächlichen Knaben 
befühlte, nicht weiter darauf, sondern sagte nur „nächstes Jahr müßte 
er doch geimpft werden, er mache nur ganz kleine Schnitte“. Dabei 
impfte er das Kind. Bis zur Nachschau war weniger Auffallendes 
an dem Knaben außer großer Unruhe zu bemerken, erst nach der 
Nachschau stellte sich sehr starkes Fieber ein, der Arm schwoll un- 
gemein an. Rotlauf erstreckte sich bis zur Hand, die Achseldrüsen 
schwollen dick an, ebenso war der Kopf ganz geschwollen. Durch 
Wickel wurde der Zustand etwas besser, doch am 18. Mai verschied 
das Kind plötzlich und unerwartet. Man holte sofort einen be- 
nachbarten Arzt, der ebenfalls gleich bei der ersten Untersuchung das 
Vorhandensein der englischen Krankheit feststellte, an der das Kind 
von klein auf gelitten hatte. Auf die Aeußerung der Mutter, das 
Impfen sei die Ursache des Todes, gab er keine Antwort, was darauf 
schließen läßt, daß er der gleichen Ueberzeugung sei, daß er aber 
lieber schweigen wollte. — 
Ein an englischer Krankheit leidendes Kind, das mit 2 Jahren 
noch nicht einmal so viel Kraft besitzt, um stehen zu können, mußte 
unbedingt vom Impfen befreit werden, wenn nicht 817 des Impf- 
gesetzes vom 8. April 1874 in Kraft treten soll. (Wer bei der Aus- 
übung der Impfung fahrlässig handelt, wird mit Geldstrafe bis zu 
500 Mark oder mit Gefängnisstrafe bis zu 3 Monaten bestraft, sofern 
nicht nach dem Strafgesetzbuch eine härtere Strafe eintritt.) Ich bitte 
ganz ergebenst, den Fall Schmälzle einer besonders genauen Unter- 
suchung auch in dieser Hinsicht zu unterziehen, denn der Impfarzt 
hat ein offensichtlich krankes Kind, auf das ihn die Mutter eigens
	        
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