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Strafmilderung wegen jugendlichen Alters.
Art. 58.
Die Jugend ist ein Grund zur Milderung der gesetzlich verwirkten Strafe
bei Personen, welche zur Zeit des von ihnen begangenen Verbrechens noch nicht
das achtzehente Jahr vollendet haben. Es soll bei ihnen nie auf eine Zucht-
hausstrafe erkannt werden, statt dieser eine Freiheitsstrafe geringerer Art ein-
treten, und uͤberhaupt der Richter nach seinem Ermessen befugt seyn, auf eine
geringere Strafart und Strafdauer herunterzugehen, als gesetzlich angedroht
ist, und dabei nach Befinden auf Schaͤrfungen (Art. 12) zu erkennen.
Der Richter hat bei seinem Ermessen hauptsaͤchlich zu beruͤcksichtigen, ob
nach Beschaffenheit der That, ihrer Beweggruͤnde und der uͤbrigen hinzutreten-
den Umstaͤnde, dem Verbrecher mehr jugendlicher Leichtsinn als Bosheit und
Ueberlegung zur Last faͤllt.
Milderung wegen Verstandesschwäche.
Art. 59.
Bei Personen, denen zwar kein völliger Mangel des Vernunfegebrauches,
aber doch ein so hoher Grad von Verstandesschwäche beizumessen ist, daß die
Anwendung der in dem Gesetze gedrohten Strafe im Mißverhältnisse mit ihrer
Verschuldung stehen würde, ingleichen bei Personen, welche an einer theilwei-
sen Seelenkrankheit leiden, die mit dem in Frage stehenden Verbrechen nicht
im Zusammenhange steht, ist der Richter ermächtigt, nach Befinden unter die
gesetzliche Strafart und Strafdauer herabzugehen.
Einflub unverschuldeter Haft.
Art. 60.
Bei einer rechtswidrig verhängten, oder ohne alle Schuld des Verbrechers
verlängerten Untersuchungshaft ist der Richter befugt, verwirkte zeitliche Frei-
heits= oder Geld-Strafen verhältnißmäßig und dann selbst unter das gesetzliche
niedrigste Maß, jedoch ohne die Strafart zu verändern, herunter zu setzen, auch
die Untersuchungshaft statt einer verwirkten Freiheits= oder Geld-Strafe dem
Schuldigen als Strafe anzurechnen.