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VI. Urtheil des Gerichtes.
Art. 251.
Nach den Ausführungen der Parteien wird die Hauptverhandlung durch
den Vorsitzenden geschlossen. Das Gericht zieht sich in das Berathungszimmer
zurück, um das urtheil zu beschließen.
Der Angeklagte wird, wenn er verhaftet war, nach Befinden cinstweilen
aus dem Sitzungssaale wieder abgeführt.
Art. 252.
Das Gericht hat die in der Hauptverhandlung vorgeführten Beweismit-
tel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit, sowohl einzeln als in ihrem Zusam-
menwirken, sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen. Es entscheiden aber über
die Frage, ob eine Thatsache als erwiesen anzunehmen sey oder nicht, keine
gesetzlichen Beweisregeln, sondern die freie, aus der gewissenhaften Prüfung
gewonnene Ueberzeugung der abstimmenden Mitglieder des Gerichtes.
Art. 258.
Das Gericht beschließt mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit
geht die dem Angeklagten günstigere Meinung vor.
Bei mehr als zwei verschiedenen Meinungen über dieselbe Frage, von
denen keine die Mehrheit für sich hat, werden die dem Angeklagten nachthei-
ligsten Stimmen den zunächst minder nachtheiligen solange zugezäahlt, bis sich
eine Mehrheit ergibt. Ist es zweifelhaft, welche Meinung nachtheiliger sey,
so ist darüber besonders abzustimmen, wobei die Stimmenmehrheit und bei
Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gibt.
Alles bei Strafe der Nichtigkeit.
Art. 254.
Findet das Gericht, daß ein unberechtigter Ankläger aufgetreten (Art. 208
Nr. 2) oder daß die in dem Verweisungßerkenntnisse aufgeführte That durch
kein Strafgesetz verboten ist, so spricht es, ungeachtet des vorliegenden Ver-
weisungserkenntnisses den Angeklagten jetzt noch von der Anklage frei, wenn
nicht bereits eine entgegenstehende Entscheidung des Ober-Appellations-Ge-
richtes ergangen ist (Art. 212).
Das Gericht spricht ferner den Angeklagten frei, wenn es dafür hälk,
daß der Thatbestand des Verbrechens nicht hergestellt, oder die Thäterschaft