100
Dem Kandibaten sind dabei auch schwierigere Stellen des Corpus juris zum
Uebersetzen und Erläutern, desgleichen kürzere zweifelhafte Rechtsfragen zur Meinungs-
äußerung und Entscheidung vorzulegen.
S. 8.
Die schriftliche Prüfung erfolgt unter Klaufur. An den Vormittagen der für
sie bestimmten zwei Tage werden den Kandidaten je zwölf, und an dem Nach-
mittage des ersten Tags sechs schriftliche Fragen aus allen Gebieten der Rechts-
wissenschaft theils in deutscher, theils in lateinischer Sprache vorgelegt, welche die
Kandidaten in derselben Sprache, in der sie gestellt sind, schriftlich zu beant-
worten haben.
Am Nachmittage des letzten Tags wird ein kurzer Rechtsfall schriftlich vor-
gelegt, dessen Entscheidung mit Gründen sofort auszuarbeiten ist.
Bei Fertigung dieser Arbeiten, für welche eine im Voraus zu bestimmende
Zahl von Stunden — in der Regel von acht Uhr Vormittags bis ein Uhr Mittags
und von drei bis acht Uhr Nachmittags nachgelassen wird, dürfen sich die Kandidaten
weder über dieselben unter einander besprechen, noch — das Nachschlagen im
Corpus juris ausgenommen — äußerer Hilfsmittel bedienen. Um die genaue
Befolgung dieser Vorschrift zu überwachen, soll ein Sekretär während der ganzen
Arbeitszeit gegenwärtig sein.
8. 9.
Die Prüfungs-Kommission ertheilt hiernächst, nachdem die schriftlichen Probe-
arbeiten bei sämmtlichen Mitgliedern zirkulirt haben, selbstständig die Censuren nach
dem Ausfall der Prüfung und fertigt die Prüfungszeugnisse aus.
Es gibt drei Grade der Censur: 1) ausgezeichnet, 2) gut, 3) ausreichend.
Auch kann die Verbindung zweier, einander nächster Censur-Grade in dem Zeug-
nisse stattfinden.
Wer nicht einmal die dritte Censur erhält, hat nicht bestanden und darf sich
vor Ablauf eines Jahres nicht wieder zur Prüfung melden. Erlangt er auch dann,
bei einer zweiten Prüfung, nicht einmal den dritten Censur-Grad, so kann seine
nochmalige Zulassung zu einer Prüfung nur mit besonderer Genehmiguug des
Landesfürsten erfolgen.
S. 10.
Die über die Prüfung jedes Rechts-Kandidaten besonders anzulegenden Akten
werden an das Appellations-Gericht abgegeben und bleiben, falls nicht von dem
Ministerium etwas Anderes bestimmt wird, in dessen Verwahrung. Das Appella-
tions-Gericht setzt sowohl das Ministerium, als auch die Kreisgerichte des Landes,
dem der Kandidat angehört, von dem Ergebniß der Prüfung in Kenntniß.