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das Treiben von Unzucht gewerbmäßig ausgeht, so wird sie ihr eröffnen, daß
dieselbe bis auf Weiteres unter besondere sitten- und sanitätspolizeiliche Kontrole
gestellt werde. Demnächst wird die Polizeibehörde die unter Kontrole gestellte
Weibsperson anweisen,
1) daß sie sich zu bestimmten Zeiten und in einer sonst näher zu bestimmenden
Weise einer ärztlichen Untersuchung zu unterwerfen habe,
2) nach Befinden, daß sie nach eingetretener Dämmerung gewisse näher zu be-
stimmende Straßen und Plätze des Orts, gewisse Spaziergänge oder gewisse
öffentliche Lokale zu vermeiden habe;
3) falls das Verbot unter 2 übertreten oder sonst von der betreffenden Weibs-
person schon mehrfach öffentliches Aergerniß gegeben worden ist, daß dieselbe
bis auf Weiteres öffentliche Lokale überhaupt nicht zu besuchen, oder auch
nach Befinden, daß sie während gewisser, näher zu bestimmender Stunden
des Abends, oder der Nachtzeit aus ihrer Wohnung sich nicht zu ent-
fernen habe.
Wenn mit Verletzung einer der Anordnungen unter Ziffer 1 bis 3 gewerb-
mäßig Unzucht begangen worden ist, treten die Strafen des Art. 361 Ziffer 6
vergl. mit Art. 362 des Strafgesetzbuchs ein. Außerdem aber ist die Uebertretung
einer der Anordnungen unter Ziffer 1—3 mit einer Haftstrafe bis zu vier Wochen
zu ahnden.
§. 3.
Es bleibt der Polizeibehörde vorbehalten, Weibspersonen, welche schon nach
Art. 361 Ziffer 6 und Art. 362 des Strafgesetzbuchs mit Arbeitshaus belegt, oder
welche sonst wegen Uebertretung des §. 1 oder 2 dieser Verordnung schon mehr
als einmal bestraft worden sind, ferner solchen Weibspersonen, welche wegen wieder-
holter Behaftung mit spphilitischen Krankheiten oder aus andern Gründen in sani-
tätspolizeilicher Beziehung gefährlich erscheinen, unter Einschärfung der Straf-
drohungen der Art. 361 Ziffer 6 und Art. 362 des Strafgesetzbuchs das gewerb-
mäßige Treiben von Unzucht zu untersagen.
Weimar am 13. November 1872.
Großherzoglich Sächsisches Staats-Ministerium,
Departement des Aeußern und Innern.
v. Groß.