Full text: Regierungs-Blatt für das Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach auf das Jahr 1874. (58)

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sofern das Gefängniß nach seiner Beschaffenheit nicht als ein zur mündlichen 
Unterweisung des Gefangenen geeignetes Lokal sich darstellt, ist für letztere ein 
anderes passendes Lokal innerhalb des Gerichtsgebäudes zur Disposition zu stel- 
len, z. B. ein Gerichtszimmer zu der Zeit wo dasselbe nicht zur Erledigung 
gerichtlicher Geschäfte benutzt wird. Nur wo die Ertheilung bestimmter Unter- 
richtsstunden und eine mündliche Unterweisung des Gefangenen durch den Leh- 
rer wegen des Mangels eines geeigneten Lokals oder aus anderen Gründen 
auf unüberwindliche Hindernisse stößt, darf sich der Unterricht auf Stellung 
geeigneter, im Gefängniß zu bearbeitender Schulaufgaben, sowie auf Abnahme, 
Prüfung und Korrektur dieser Arbeiten durch den Lehrer beschränken. Das Ge- 
richt hat diejenigen Einrichtungen im Gefängniß zu treffen, sowie diejenigen 
Geräthschaften und Utensilien anschaffen zu lassen, welche erfordert werden, da- 
mit der Gefangene die ihm vom Lehrer aufgegebenen Arbeiten liefern kann. 
Denselben ist, namentlich während der kurzen Tage, auch Beschäftigung Abends 
und bei Licht zu gestatten. Der vorsichtige Gebrauch des Lichts und dessen 
rechtzeitiges Auslöschen hat der Gefängnißwärter zu überwachen. 
Dem Lehrer ist für seine Mühwaltung ein entsprechendes Honorar zu ge- 
währen. Dasselbe soll je nach den örtlichen Verhältnissen fünfzig Pfennige bis 
eine Mark für die Unterrichtsstunde betragen und wird, falls eine Verständigung 
über den Betrag zwischen dem Gericht und dem Lehrer nicht stattfinden sollte, 
auf Antrag des Gerichts von dem Schul-Inspektor des Bezirks innerhalb jener 
Grenzen bestimmt und als Verlag aus dem gerichtlichen Verwaltungs-Fonds 
bezahlt, vorbehältlich der Wiederbeiziehung von der verpflichteten Privatperson 
oder Schulgemeinde. (Vergl. §. 48 Ziff. 6 des Gesetzes über das Volksschul- 
wesen vom 24. Juni d. J.) 
Vorstehende Bestimmungen finden analoge Anwendung, wenn schul= (oder 
fortbildungsschul-) pflichtige Personen in länger dauernder Untersuchungs- 
haft sich befinden, soweit nicht etwa im einzelnen Falle zu besorgen steht, daß 
dadurch dem Untersuchungszweck Eintrag geschehen könne. 
Nicht weniger empfiehlt es sich, und wird hiermit gestattet, in einzelnen 
geeigneten Fällen auch solchen jugendlichen Gefangenen, welche ihrem Lebens- 
alter nach nicht mehr zum Besuche der Volksschule oder Fortbildungsschule 
verpflichtet sind, gleichwohl Schulunterricht ertheilen zu lassen, um denselben 
eine auregende, die sittliche Hebung befördernde geistige Beschäftigung zu ge- 
währen. Solchenfalls ist das Honorar für den Lehrer definitiv aus dem Ver- 
waltungs-Fonds zu bestreiten. 
Uebrigens bedarf es keiner besonderen Hervorhebung, daß, wie allen Ge-
	        
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