XXXVII. Abschnitt: Das Finanzwesen. 775
II. Die verschiedenen Arten der Reichsschulden.
1. Die Reichskassenscheine.
Gewöhnlich zählt man die Reichskassenscheine zum Papiergeld.
Allein es sind solche weder eigentliches Papiergeld, da das Reich Papier-
geldnährung nicht hat und demzufolge die Reichskassenscheine als gesetz-
liches Zahlungsmittel nicht erklärt sind.
Auch Banknoten im Sinne des Bankgesetzes sind sie nicht, da die-
selben a nicht von Notenbanken ausgegeben werden.
Turch das Gesetz vom 30. April 1874 S. 40 und vom 5. Juni
1906 S. 732 ist der Reichskanzler ermächtigt worden, Reichskassen-
scheine zum Gesamtbetrag von 120 Millionen Mark in Abschnitten zu
5 und zu 10 Mk. ausfertigen zu lassen und unter die Bundesstaaten
nach dem Maßstabe ihrer durch die Zählung vom 1. Dezember 1871
festgestellten Bevölkerung zu verteilen.
Die Reichskassenscheine bilden eine unverzinsliche Schuld des
Reichs. Die Ausfertigung ist der Reichsschuldenverwaltung und die
Kontrolle der Ausfertigung und Ausgabe der Reichsschuldenkommission
übertragen, welche hierüber alljährlich dem Bundesrat und dem Reichstag
Bericht erstattet.
Bezüglich des Umtausches beschädigter oder unbrauchbar gewordener
Eeichslassenscheine schreibt die Verordnung vom 18. Mai 1876 Zentralbl.
296 vor:
1. Sämtliche Reichs= und Landeskassen haben die ihnen bei Zahlungen
angebotenen beschädigten oder unbrauchbar gewordenen (inkl. der
geklebten und der beschmutzten) Reichskassenscheine, deren Umtausch-
fähigkeit (§ 6 zit. Ges.) zweifellos ist, anzunehmen, aber nicht wieder
auszugeben.
2. Solche Reichskassenscheine sind außer von der Reichshauptkasse
auch von den Kaiserlichen Oberpostkassen, der preußischen General-=
staatskasse, den preußischen Regierungs= bezw. Bezirkshaupt-
kassen und von den Landeszentralkassen, den übrigen Bundes-
staaten gegen umlaufsfähige Reichskassenscheine oder bares Geld
umzutauschen.
2. Die Schatzanweisungen.
Durch die alljährlich zu erlassenden Gesetze, betreffs die Feststellung
des Reichshaushalts-Etats, wird der Reichskanzler ermächtigt, zur vorüber-
gehenden Verstärkung des ordentlichen Betriebsfonds der Reichshaupt-
kasse nach Bedarf, jedoch nicht über den jeweils bestimmten Betrag
hinaus, Schatzanweisungen auszugeben und ihm dabei überlassen, den
Zinsfuß zu bestimmen.
Die Ausfertigung der Schatzanweisungen wird regelmäßig der
preußischen Hauptverwaltung der Staatsschulden übertragen.