528
1411 Unterweisung 1
für den chemeindewaisenrath.
1.
Der Gemeindewaisenrath ist ein Hülfsorgan der staatlichen Obervormund-
schaft, welche zunächst durch die Amtsgerichte als Vormundschaftsgerichte aus-
geübt wird.
Die Rechte und Pflichten des Gemeindewaisenraths bestimmen sich nach
den einschlagenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, des zu diesem
ergangenen Ausführungsgesetzes vom 5. April 1899, des Gesetzes über die
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898 und der
Ministerial-Verordnung vom 9. November 1899, von welchen sich ein Abdruck
hinter der dem Gemeindewaisenrath mit auszuhändigenden Unterweisung für
die Vormünder befindet.
§ 2.
Sind mehrere Personen als Mitglieder des Gemeindewaisenraths bestellt
(§§ 216, 218 des Ausführungsgesetzes), so ist von ihnen und aus ihrer Mitte
ein Vorsitzender und ein Stellvertreter des Vorsitzenden zu wählen. Das Er-
gebniß der Wahl ist dem Vormundschaftsgerichte anzuzeigen.
Kommt eine Wahl, z. B. wegen Stimmengleichheit, nicht zu Stande, so
bestimmt das Vormundschaftsgericht je ein Mitglied zum Vorsitzenden und zum
Stellvertreter des Vorsitzenden.
Dem Vorsitzenden liegt die Leitung der Geschäfte ob. Er beraumt die
Vormundschaftssitzungen an, führt den schriftlichen Verkehr mit dem Vormund-
schaftsgerichte und anderen Behörden, sowie mit Privatpersonen, unterzeichnet
die Schriftstücke und sorgt für die Aktenführung. Im Uebrigen ist die Führung
der Geschäfte eine gemeinschaftliche.
Die Anberaumung einer Vormundschaftssitzung muß erfolgen, wenn ein
Mitglied sie beantragt.
Die Beschlüsse des Gemeindewaisenraths werden mit Stimmenmehrheit
gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.