Grosbritamien. (Januar 21.—26.) 253
21. Jan. Einrichtung des zivilen Hilfsdienstes.
Der Generaldirektor des nationalen Dienstes, Neville Chamberlain,
teilt in einer Rede in Birmingham mit, er werde demnächst Rekruten für
ein Nationaldienstkorps aufrufen, das die sonst unabkömmlichen Männer
militärischen Alters in bürgerlichen Betrieben ablösen solle. Dieser neue
Rekrutierungsplan sehe die freiwillige Dienstübernahme durch Männer von
18 bis 60 Jahren vor. Die Frauen würden vorläufig noch nicht aufgerufen
werden. Die Aufgerufenen erhielten die normalen Löhne. Männer, die
bereits Arbeit von nationaler Wichtigkeit verrichten oder in der Munitions-
industrie tälig seien, würden sich trotzdem einschreiben lassen müssen, und
das Ministerium werde Männer, die schon in einem wichtigen Betrieb
arbeiten, aus einer Fabrik, wo sie nicht so nötig seien, in eine andere ver-
setzen können. Im allgemeinen sollen die Angeworbenen in ihren Wohn-
bezirken beschäftigt werden. Diejenigen, die von ihren Wohnstätten weg-
gesandt werden, erhalten eine Zulage von 17½ Schilling wöchentlich. Der
ganze nationale Dienst soll sich auf dem Grundsatz der Freiwilligkeit auf-
bauen. Wenn das keinen Erfolg habe, werde man möglicherweise zum
Dienstzwang übergehen.
23. Jan. (London.) Engl.-franz.-ital. Seekonferenz.
Es werden Fragen der im Mittelmeer zu beobachtenden Seepolitik
erörtert.
23.—26. Jan. (Manchester.) 17. Kongreß der Arbeiterpartei.
Erschienen sind 700 Abgesandte, darunter die Minister Henderson
und Hodge. Zur Verhandlung steht zunächst die Frage, ob die Partei sich an
einer Kartellregierung beteiligen dürfe.
Henderson schlägt entsprechend den Anträgen eines Ausschußberichts
vor, die Frage zu bejahen, und weist darauf hin, daß die Versprechungen
Lloyd Georges und die Notwendigkeit, den Krieg zu Ende zu führen, die
Anwesenheit von Vertretern der Arbeiterpartei im Kabinett rechtfertige.
Ein Mitglied der Britischen Soz. Partei schlägt Verwerfung des Ausschuß-
antrags vor mit der Begründung, daß Henderson und seine Genossen im
Begriff seien, die Arbeiterpartei zu vernichten. Der Antrag, der die Frage
einer Beteiligung bejaht, wird schließlich mit 1840000 Stimmen gegen
307000 angenommen.
Am 25. berät der Kongreß in sehr erregter Debatte über einen An-
trag der Friedensgruppe der Unabhängigen Arbeiterpartei, während der
Friedenskonferenz einen internationalen Sozialistenkongreß zu halten. Ram-
say Macdonald erklärt, der Arbeiterstand habe kein Vertrauen zu der
Diplomatie, die berufen würde, den Frieden zu schließen. Er hebt das
Auftreten der Soz. Arb. in Deutschland hervor und bemerkt, man tue un-
recht, wenn man Liebknecht und Scheidemann über einen Kamm schere.
Die Mehrheit ist gegen den Antrag, weil auf dem Sozialistenkongreß
Belgier und Franzofen genötigt wären, neben den Deutschen zu sitzen, wo-
durch üble Auftritte entstehen könnten. W. Thorne stellt einen Besserungs-
antrag auf Veranstaltung eines Kongresses der Sozialisten in den Verbands-
ländern zur Besprechung der Friedensbedingungen. Dieser Antrag wird
mit 1036000 gegen 481000 vertretenen Stimmen angenommen, der Haupt-
antrag mit 1498000 gegen 696000 abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt, und
zwar mit 1697000 gegen 302000 Stimmen, wird ein Antrag der Britischen
Soz. Partei, in dem die internationale Solidarität der Arbeiter erklärt und
das Intern. Soz. Bureau aufgefordert wird, mit möglichster Schnelligkeit
die Friedensbedingungen zu diskutieren.