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der bestehenden Gesetze und nach gutächtlicher Vernehmung der obersten Gerichtsstelle nach-
stebende Vorschriften ertheilt:
1) Ein ausschließliches Recht auf Vornahme und Erledigung von Schuldenverweisungen
und der außergerichtlichen Bereinigung von Schuldenwesen durch Borg= oder Nachlaßvergleich
(Gesetz über das Notariatswesen vom 14. Juni 1843, Art. 7. A. b.) steht dem Gemeinde=
rath, beziehungsweise dem Rathsschreiber, nicht zu; vielmehr bleibt es dem Ermessen des
Bezirksrichters anheimgegeben, mit Rücksicht auf vie obwaltenden Verhältnisse überhaupt und
auf die Beschaffenheit ver einzelnen Sache die betreffenden Geschäfte durch den Rathsschreiber
oder durch den Notar, beziehungsweise mit dem Gemeinderath oder mit einer gemeinderäth-
lichen Deputation, vornehmen zu lassen.
2) In Gantsachen sind ordentlicher Weise die zum Zweck der Versteigerung der Masse-
gegenstände erforderlichen Handlungen durch die Ortsobrigkeit, d. h. je nach der Natur des
einzelnen Actes durch den Gemeinderath oder eine Deputation desselben oder auch durch den
Ortsvorsteher allein, zu besorgen (IV. Edict über die Rechtspflege vom 31. Dec. 1818,
K 164), wobei dann dem Rathsschreiber die Protokollführung obliegt. Der Bezirksrichter
hat jedoch das Recht, da, wo solches durch besondere Gründe im Interesse der Sache gebo-
ten erscheint, anderweite Vorkehrung zu treffen, insbesondere andere Gemeindebeamte oder
den Notar mit der Leitung der fraglichen Veräußerungen, oder wenigstens mit dem Aetua-
riat zu beauftragen, in welchen Fällen übrigens der Notar stets zwei Urkundspersonen beizu-
ziehen hat.
Etwaige motivirte Anträge der Gläubiger auf Vornahme der Versteigerung durch den
Notar find der Verfügung des Bezirkörichters zu unterstellen.
3) In derselben Weise, wie bei Versteigerungen in Gantsachen CZiff. 2) ist bei Ver-
steigerungen in außergerichtlichen Schuldsachen zu verfahren.
4) Wenn bei Liegenschaftsveräußerungen in Verlassenschaftssachen die amtliche Leitung
der Versteigerung begründet erscheint, so steht diese an sich zwar dem Gemeinderath bezie-
hungsweise dem Waisengericht zu. Vereinigen sich aber die Betheiligten und für die unter
Vormundschaft stehenden Interessenten ibre Vormünder dahin, daß die Verfteigerung unter
Leitung des Notars vor sich gehen soll, so kann, wenn der Bezirkerichter nichts dabei zu
erinnern findet, der Gemeinderath oder Rathsschreiber eine Einsprache gegen die Vornahme
des Geschäfts durch den Notar nicht erheben.
Stuttgart den 20. October 1853. Plessen.