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Verfügung des Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens, betreffend das höhere Mädchenschulwesen.
Vom 11. Juli 1877.
Nachdem in dem pro z2erabschiedeten Etat für Beiträge zu Gründung und
Unterhaltung höherer Mädchenschulen sowie für die Beaufsichtigung derselben die erforder-
lichen Mittel verabschiedet worden sind, wird behufs der Ausführung hiemit Nachstehen-
des verfügt:
1) Als höhere Mädchenschule ist zu betrachten eine Schule, welche ihre Zög-
linge bis zum 16. Lebensjahr, wo möglich in 9jähriger Schulzeit oder doch jedenfalls von
der Mittelstufe (vom 4. Schuljahr) an unterrichtet und denselben den Besitz der zur
höheren weiblichen Bildung gehörigen ethischen, sprachlichen und realistischen Kenntnisse
und Fertigkeiten gewährt.
2) Demgemäß soll der Lehrplan umfassen: Religion (einschließlich Kirchengeschichte),
Geschichte, Deutsche Sprache und Literatur, französische und englische Sprache, Rechnen,
Naturkunde (Naturgeschichte, das Wichtigste aus Physik und Chemie, Gesundheitslehre),
Geographie, ferner Schönschreiben, Zeichnen, Handarbeiten, Singen, Turnen.
3) Zum Vorstand einer höheren Mädchenschule ist in der Regel ein akademisch
gebildeter Mann zu bestellen, wie auch wo möglich ein oder einige akademisch gebildete
Lehrer zu wünschen sind.
4) Außerdem werden für die Vorstände, die Lehrer und die Lehrerinnen an solchen
Schulen angemessene Gehalte verlangt.
5) Es ist zu wünschen, daß Gemeinden selbst auf ihre Rechnung solche Schulen
gründen und unterhalten, oder daß sie wenigstens, falls die Gründung von einem Pri-
vaten oder einem Vereine (Elternvereine r2c.) ausgeht, hiezu ihre Unterstützung
leihen, wie durch unentgeltliche Ueberlassung eines Unterrichtslokals, wo möglich mit
Heizung und Beleuchtung, oder durch Aussetzung eines festen Geldbeitrags, wofür das-
jenige, was der Gemeinde dadurch an sonstigen Schulkosten erspart wird, als Minimum
zu betrachten ist.
6) Unter der Voraussetzung, daß eine Gemeinde zu Gründung und Unterhaltung
einer höheren Mädchenschule eine entsprechende Leistung (vergl. Ziffer 5) macht, daß für
den Besuch derselben ein angemessenes Schulgeld angesetzt wird, sowie daß die betreffende
Schule nach ihrer Organisation, ihrem Lehrplan, ihrem Vorstands= und Lehrerpersonal