Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1896. (73)

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Kenntniß zu setzen, falls nicht angenommen werden muß, daß der Vormundschaftsbehörde 
die Geisteskrankheit bereits bekannt ist. 
3) Seitens der betheiligten Behörden ist übrigens darauf Bedacht zu nehmen, daß 
überflüssige, verfrühte oder ungeeignete, insbesondere eine beginnende Genesung störende 
Entmündigungsanträge vermieden werden. 
Bei unheilbaren Geisteskranken, welche sich im Zustande vorgeschrittener Verblödung 
befinden und kein Vermögen besitzen, wird für die Regel, insbesondere solange nicht die 
Aufstellung eines Vertreters aus irgend einem Grunde z. B. zur Vornahme einer Rechts- 
handlung erforderlich ist, eine Entmündigung überhaupt unterbleiben können. Letzteres 
wird auch dann der Fall sein, wenn der Kranke bereits einen gesetzlichen Vertreter, wie 
z. B. eine geisteskranke Ehefrau in der Person ihres Ehemanns hat, welcher die Inter- 
essen des Kranken entsprechend wahrnimmt. 
Aber auch abgesehen hievon wird nicht jede leichtere geistige Störung sofort die Ein- 
leitung eines Entmündigungsverfahrens rechtfertigen. Stets wird mit besonderer Vor- 
sicht vorgegangen werden müssen, solange noch Aussicht auf Heilung oder wesentliche 
Besserung vorhanden ist. Die verfrühte Durchführung eines Entmündigungsverfahrens 
kann, ganz abgesehen von dem Kostenpunkt, den Kranken nach eingetretener Genesung 
in seiner beruflichen und gesellschaftlichen Stellung empfindlich schädigen, wie auch unter 
Umständen die mit dem Entmündigungsverfahren verknüpfte amtliche Untersuchung in 
das Heilverfahren schädigend eingreifen würde. 
Auch wird darauf hingewiesen, daß einem Entmündigungsantrag des Ehegatten 
oder eines Verwandten im Zweifel der Vorzug vor dem Entmündigungsantrage der 
Staatsanwaltschaft zu geben ist, und daß den Vormundschaftsbehörden und Staats- 
anwaltschaften anheimgestellt wird, zunächst mit den in §. 595 Abs. 1 der Civilprozeß- 
ordnung genannten Personen wegen der etwaigen Stellung eines Entmündigungsantrags 
in Verbindung zu treten. 
4) Die Amtsgerichte werden beauftragt, die ihnen unterstellten Vormundschafts- 
behörden in Absicht auf die Erfüllung der ihnen nach Maßgabe der Ziff. 1—3 obliegenden 
Pflichten zu überwachen. 
5) Bezüglich des Zustandes der in Staats= und Privatirrenanstalten untergebrachten 
Personen sind die Vorstände dieser Anstalten angewiesen, den Vormundschaftsbehörden 
 
	        
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