Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1899. (76)

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Insbesondere ist den Wünschen derjenigen Gefangenen, welche sich freiwillig an den in dem 
Gefängniß eingeführten Arbeiten betheiligen, thunlichst entgegenzukommen. 
Die Berücksichtigung der Gesundheitsumstände, des Alters und Geschlechts, der vorhandenen 
Fähigkeiten und Kenntnisse, des Bildungsgrades, der Lebensgewohnheiten des zu beschäftigenden Ge- 
fangenen ist stets im Auge zu behalten. 
Auch bei der Arbeit sind jugendliche Gefangene von erwachsenen Gefangenen und für die 
Negel Untersuchungsgefangene (§. 116 der Strafprozeßordnung) von Strafgefangenen getrennt 
zu halten. 
Bei Untersuchungsgefangenen sind etwaige Anordnungen des Nichters hinsichtlich der Beschäf- 
tigung der Gefangenen zu beachten. 
Insoweit es die Art der Beschäftigung gestattet, ist die tägliche Arbeitsaufgabe des Gefangenen 
je nach seiner Tüchtigkeit so zu bestimmen, daß dieselbe nur mit Fleiß und Ausdauer geleistet wer- 
den kann. 
Es wird sich hiebei empfehlen, für den betreffenden Arbeitszweig im Allgemeinen ein ordent- 
liches Tagespensum festzusetzen; den einzelnen Gefangenen ist sodann je nach ihrer Persönlichkeit die 
Leistung des vollen Tagespensums oder aber — z. B. den Unkundigen, Schwächlichen 2c. 2c. — die 
Leistung eines bestimmten Theils des Tagespensums aufzuerlegen. 
In Fällen der letzteren Art wie überhaupt aus Gründen der Zweckmäßigkeit oder Billig- 
teit ist eine Bemessung der Arbeitszeit auf weniger als neun Stunden zugelassen. (§. 75 Abf. 1.) 
Besondere Berücksichtigung hinsichtlich der Bemessung der Arbeitszeit und des Arbeitspensums 
ist den an der Arbeit freiwillig Theil nehmenden Gefangenen zu schenken. 
Die Vollendung der aufgegebenen Arbeit befreit jedoch den Gefangenen nicht von der Ver- 
vlichtung zum Fortarbeiten während der ganzen festgesetzten Arbeitszeit. 
Läßt die Art der Beschäftigung die Bestimmung einer täglichen Arbeitsaufgabe nicht zu, so ist 
durch regelmäßige Kontrole dafür zu sorgen, daß der einzelne Gefangene täglich dasjenige leiste, 
was er nach seiner Körperkraft, Fähigkeit und Uebung bei ausdauerndem Fleiße zu leisten vermag. 
Die arbeitenden Gefangenen müssen den auf die Arbeit bezüglichen Anordnungen und Wei- 
sungen pünktlichen Gehorsam leisten. 
Arbeitsverweigerung sowie verschuldete ungenügende oder unvollständige Leistungen haben beie 
dem zur Arbeit verpflichteten Gefangenen disciplinäre Ahndung zur Folge. Die übrigen Gefangenen 
haben in diesem Falle die Ausschließung von der ferneren Theilnahme an den Gefängnißarbeiten zu 
gewärtigen. 
S. 77. 
Denjenigen Gefangenen, welche nicht zu einer im Gefängniß eingeführten Arbeit angehalten 
werden und sich nicht an einer solchen freiwillig betheiligen, kann auf ihre Kosten eine ihrem Stand 
und ihren Vermögensverhältnissen entsprechende Selbstbeschäftigung gestattet werden, insoweit diese mit 
dem Zwecke der Haft vereinbar ist und weder die Ordnung in dem Gefängniß stört noch die Sicher- 
heit gefährdet. 
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