130
6) War die Aufbringung nicht gerechtfertigt, so ist der
kriegführende Staat zur unverzüglichen Freigabe von Schiff und
Ladung und zu vollständiger Schadensersatzleistung verpflichtet.
Hiernach ließe sich gegen die auf hoher See bezw. in Aden
erfolgte Anhaltung der drei Dampfer der „Deutschen Ostafrika-
linie“" und gegen die Prüfung ihrer Papiere ein Einwand aus
der jetzigen Lage des praktischen Völkerrechts nicht begründen.
Dagegen läßt dasselbe die thatsächlich ohne ausreichend begrün-
deten Verdacht stattgehabte Verbringung des „Bundesrat“ und
des „Herzog"“ nach Durban und das Entlöschen der Ladungen des
„Bundesrat“ und des „General“ als nicht gerechtfertigt erscheinen.
Wie ich bei dieser Gelegenheit noch erwähnen möchte, waren
wir anfangs bestrebt, die englische Regierung zu veranlassen, in
der Behandlung der nach der Delagoabay bestimmten neutralen
Schiffe derjenigen völkerrechtlichen Theorie beizutreten, welche dem
Handel der Neutralen während des gegenwärtigen Krieges die
größte Sicherung gewährleistet. Diese Theorie, die in dem Satze
gipfelt, daß für die mit einem neutralen Schiffe verfrachteten und
von einem neutralen Hafen nach einem neutralen Hafen konsignierten
Waren der Begriff der Kriegskontrebande überhaupt nicht Platz
greifen könne, wurde von der englischen Regierung beanstandet.
Wir haben uns die Erörterung darüber für die Zukunft offen
gehalten, einesteils weil es uns darauf ankommen mußte, möglichst
schnell zu einer praktischen Lösung der vorliegenden Differenz-
punkte zu gelangen, und sodann, weil thatsächlich der aufgestellte
Satz in Theorie und Praxis bisher noch nicht allgemeine An-
erkennung gefunden hat.
Den Standpunkt, meine Herren, den wir auf Grund dieser
generellen Rechtsauffassung, von der wir annehmen, daß sie sich
deckt mit der allgemeinen Aufsassung der zivilisierten Welt, gegen-
über der Beschlagnahme unserer Schiffe eingenommen haben, —
diesen Standpunkt möchte ich dahin zusammenfassen: Wir erkennen
die Rechte an, welche das Völkerrecht der kriegführenden Parteien
gegenüber dem neutralen Schiff, dem neutralen Handel, dem neu-
tralen Verkehr wirklich einräumt. Wir verkennen nicht die Pflichten,
welche der Kriegszustand dem neutralen Reeder, dem neutralen
Kaufmann, dem neutralen Schiff auferlegt. Aber wir verlangen,
daß die Kriegführenden ihre Befugnisse nicht über die Grenzen
der absoluten Kriegsnotwendigkeit ausdehnen. Wir verlangen, daß
die kriegführenden Parteien die unveräußerlichen Rechte des legitimen
Handels der Neutralen achten.