Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

VIII Zur SEinführung. 
  
sein. Von der Regierung, im besonderen vom Oeutschen Reichskanzler, 
Herrn von Bethmann Hollweg, gefördert, zog die Auffassung weiter 
werdende Kreise, daß man durch Nachgiebigkeit an Großbritannien eine 
„Weltpolitik ohne Krieg“ fruchtbar und ertragreich werde treiben können 
und deshalb treiben müsse. Oiese Nachgiebigkeit sollte sich in erster 
Linie in der Flottenpolitik zeigen, und man hatte auf die Znitiative des 
Heutschen Reichskanzlers schon seit dem Zahre 1912 mit Betätigung dieser 
Nachgiebigkeit begonnen, wie später einwandfrei bekannt geworden ist. 
Heute liegen diese Berhältnisse und die damaligen Bestrebungen 
jedenfalls in ihren großen Zügen klar vor den Augen. Damals, im Fahre 
1913, war das nicht der Fall. Was die damalige Tripelentente in den 
Kulissen ihrer Politik tat und vorbereitete, entzog sich um so mehr den 
Augen der Außenstehenden, als von seiten der deutschen Regierung 
vertrauensvoll und gehbeimnisvoll immer wieder hervorgehoben wurde, 
was alles sich an guten Dingen vorbereite, man solle nur warten und nichts 
stören. 
Die Pelitik der Tripelentente war gerade damals eine äußerst geschickte. 
Sie bereitete den großen Schlag vor, der die Mittelmächte entweder 
friedlich demütigen, dann trennen und ihre allmähliche Bernichtung oder 
Verkümmerung einzeln herbeiführen, oder aber sie in einem gewaltigen 
kriegerischen Konflikte zerschmettern sollte. Zwar die Sprache Frank- 
reichs und Rußlands wurde gerade während jenes letzten Jabres beispiel- 
los drohend und bochfahrend, aber Großbritannien wußte die Leiter der 
deutschen Politik in ihrem Vertrauen zu halten. Bereinzelte Schlaglichter, 
wie die antideutsche Stellungnahme der britischen Politik in der Frage 
der deutschen Militärmission zu Konstantinopel um die Jahreswende 
1913/14, fanden geringe Beachtung, und sorgenvolle Fragen wurden mit 
leichter überlegenheit abgewehrt. Das Vertrauen auf das Vorhanden- 
sein unbedingter Friedlichkeit Großbritanniens war fest und damit gleich- 
falls das Bertrauen auf die Erhaltung des europäischen Friedens. 
Dabei war nicht zu verkennen, daß eine außerordentliche Regsam- 
keit des diplomatischen Lebens zwischen den Mächten nach allen Seiten 
bestand. Auf der Balkanhalbinsel schien der Stand der Oinge politisch 
keineswegs abgeschlossen, Rußland umwarb Rumänien, die serbische 
antiösterreichische Propaganda wurde immer stärker, auf Griechenland 
drückten die Westmächte, zu Konstantinopel arbeiteten alle Mächte. In 
Schweden herrschte wachsende Besorgnis vor Rußland, in Japan Neigung 
zur Annäherung an das Deutsche Reich, welche aber zu Berlin wegen der 
„gelben Gefahr“ und aus Besorgnis, in London und Wasbington zu ver- 
stimmen, nicht nur unerwidert blieb, sondern zurückgewiesen wurde. Da- 
zwischen spielten die inneren Beziehungen des damaligen Dreibundes
	        
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