Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Die Lage zur See. 59 
  
Schaden zuzufügen. Oeutschland und Frankreich protestierten mit Er- 
folg; das englische Borhaben war auch zu wenig vorbereitet, um sich 
durchzusetzen. 
Von dem Augenblicke an aber, wo die deutsche Politik gewagt hatte, 
in kolonialen, überseeischen Dingen selbständig etwas zu wollen und zu 
tun, was den englischen Staatsmännern nicht gefiel, da trat ungesäumt 
der Mißton in die deutsch-englischen Beziehungen hinein. Diese an und 
für sich geringfügigen, jedenfalls nicht bedeutenden Ereignisse liefern die 
Probe auf das Exempel: wie die britische Politik Deutschland gegenüber 
nach dem Rücktritte Bismarcks und dem Alblaufe des deutsch-russischen 
Neutralitätsvertrages orientiert war. In dem Vertrage von 1890 hatte 
man England nicht zum wenigsten deshalb so großes Entgegenkommen in 
Afrika bewiesen, weil, wie Fürst Hohenlohe schreibt, man der kolonialen 
Politik Großbritanniens unter Bismarck „zu sehr auf die Hühneraugen 
getreten“ habe. Zetzt, in den Zahren 1893 und 1894, kam das Umgekehrte 
zur Geltung, und da stand dem Deutschen Reiche — auch abgesehen vom 
deutsch-russischen Bertrage — kein Gegenmittel mehr zur Verfügung. 
Eine Flotte besaß es nicht. 
Vorhanden waren reichlich hundert gute Torpedoboote, außerdem 
eine Sammlung teils veralteter, teils in der Anlage verfehlter Panzer--- 
schiffe. Unter Caprivi war kein einziges Hochseeschlachtschiff auf Stapel 
gelegt worden. Denken wir jetzt, wo sich die Verhältnisse für die Flotte 
günstiger entwickelt haben, als man voraussehen konnte, an jenen Zu- 
stand zurück, so ist es vielleicht ein Borteil gewesen, daß die Dinge schein- 
bar hoffnungslos standen, denn Helgoland wäre sonst den Engländern 
sicherlich nicht feil gewesen. Für die Beurteilung der damaligen Politik 
jedoch kann das naturgemäß nicht in Betracht kommen. 
Die Schwierigkeit, welche bei dem Stande der maritimen Berhältnisse 
für jeden Nachfolger Bismarcks sich erhob im Augenblicke, wo überseeische 
Fragen in Betracht kamen, liegt ohne weiteres auf der Hand. Solange 
es sich in überseeischen Angelegenheiten um Schwierigkeiten und Rei- 
bereien mit Mächten des europäischen Festlandes handelte, blieb der 
Schwerpunkt der Streitfrage an sich, besonders ihre Entscheidung im 
äußersten Falle, auf dem Festlande, sobald es sich aber um Mächte han- 
delte, die, wie Biômarck nach seiner Verabschiedung sagte, „wir zu Lande 
nicht langen können“, dann lag die Sache ganz anders. Es bestand nur 
die Möglichkeit, durch Bündnisse oder Einverständnisse ad hoc indirekt 
auf die zu Lande uns nicht erreichbare Macht zu wirken. Das konnte 
Deutschland vorher mit geschickter Benutzung des gespannten englisch-- 
russischen Berhältnisses unter Umständen erreichen. Nach 1890 war da- 
von nicht mehr die Rede. Wenn also um die Jahre 1895 und 1894 eng-
	        
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