Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

72 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903. 
sein, als die britische Regierung unter diesem Vertrage etwas anderes 
verstehen wollte als das, was er besagte. Es ließ sich nicht wegdeuteln, 
daß die Transvaalrepublik unabhängig war mit der einzigen Einschränkung, 
daß sie Berträge mit dritten Mächten (außer dem Oranjefreistaate) nicht 
ohne stillschweigende Zustimmung der britischen Regierung schließen 
durfte. Auf die deutsch-transvaalschen Beziehungen traf dieser Artikel 
aber nicht zu, denn da sollte kein Vertrag geschlossen werden. Die Er- 
haltung auch der wirtschaftlichen Selbständigkeit der Transvaalrepublik 
war kein Vorwand der deutschen Politik, sondern tatsächlich ihr Ziel. Die 
Gründe dafür lagen ebenso klar zutage: Erhaltung und Stärkung der 
wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Südafrika, die 
nach britischer Aufsaugung der südafrikanischen Republiken schwer be- 
einträchtigt werden würden. Dazu kam die Nähe der beiden deutschen 
Kolonien in Afrika, möglicherweise auch der Gedanke, daß früher oder 
später Portugal den Wunsch hegen könne, sich seiner Kolonien zu ent- 
ledigen. Ein britisches Südafrika mußte allen deutschen Interessen zu- 
widerlaufen. Auf Kosten Großbritanniens, seines Kolonialbesitzes und 
seiner berechtigten Bestrebungen ging die deutsche Politik nicht, aber sie 
stand in schroffem Gegensatze zu Bestrebungen, die das amtliche Groß- 
britannien damals nicht offen bekennen wollte, die es aber eifrig durch 
Cecil Rhodes und seine Helfer fördern ließ. Anderseits nahmen die 
deutschen wirtschaftlichen Interessen in Südafrika damals stark zu, der 
deutsche Handel, die deutsche Kapitalbeteiligung an öffentlichen Unter- 
nehmungen in und nach den Burenrepubliken wuchs sichtlich und erregte 
in gleichem Maße die Unruhe und Eifersucht der Engländer. 
Freiherr v. Marschall und Fürst Hohenlohe waren der irrigen Über— 
zeugung, das Fehlen eines vertraglichen und sachlichen Rechtes würde 
Großbritannien veranlassen, wie ein Fahr vorher beim Kongovertrage, 
auf deutschen Widerstand hin seine Ansprüche und Politik aufzugeben. 
An den südafrikanischen Republiken nahmen 1895 die Oinge rasch 
ihren Berlauf. Im Frühjahr wurde ein mit England geschlossener Ver- 
trag wegen des Swasilandes vom Volksraad genehmigt und das Gebiet 
dem Vertrage gemäß von den Buren besetzt. Von dort aus konnten die 
Buren den Ozean erblicken, nur ein schmaler Landstreifen trennte sie von 
der Küste: die Gebiete zweier Häuptlinge am Pongolaflusse. Der Prä- 
sident Krüger wandte sich an den britischen Gouverneur des Kaplandes 
mit der Bitte, diese Gebiete in Besitz nehmen zu dürfen. Sie wurde ab- 
geschlagen; England könne dann nicht die britischen Interessen im Swasi- 
lande kontrollieren und schützen. Ungesäumt legte Großbritannien — das 
amtliche — selbst die Hand auf die Pongolagebiete, obgleich es noch 1889 
die Rechte der südafrikonischen Republik auf sie anerkannt batte, Ende
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.