Die europäische Entente in Ostasien. 85
Besuche in Petersburg dem Zaren gesagt: wir wären (in Ostasien) von
dem Wunsche geleitet gewesen, unsere guten Beziehungen zu Rußland zu
manifestieren. Darüber sei der Zar erfreut gewesen und habe selbst seiner
Befriedigung über die deutsche Politik in der ostasiatischen Angelegen-
heit Ausdruck gegeben. — Selbstverständlich braucht man aus der Oar-
stellung, die Hohenlohe dem Zaren gab, nicht zu schließen, daß die deut-
sche Politik nur von dem Wunsche beberrscht gewesen sei, „unsere guten
Beziehungen zu Rußland zu manifestieren“". Mitgespielt hat aber, wie
gesagt, dieses Motiv ohne Zweifel stark. Bemerkenswert ist auch die
Außerung des Zaren, ob nicht die Person des damaligen Staatssekretärs,
Freiberrn v. Marschall, die Ursache der deutsch-russischen „Mißverständ-
nisse“ gewesen sei. Hohenlohe antwortete darauf, „daß Marschall nur
das täte, was ihm befohlen werde, daß nichts ohne den Befehl des Kai-
sers geschehe“. Schließlich gibt der Füest die sibpllinische Bemerkung
von sich: „vielleicht hätten Meinungsverschiedenheiten zu Mißverständ-
nissen Anlaß gegeben“. Er hätte es lieber umkehren können. Den wich-
tigen Kern der deutschen Stellungnahme enthüllt Hohenlohe in dem
gleichen Berichte durch die Mitteilung, der Zar habe ihm gesagt: „er
habe unserem Kaiser im Frühjahr geschrieben, er würde nichts dagegen
haben, wenn wir uns irgend etwas dort erwerben wollten, um einen
festen Punkt oder eine Kohlenstation zu haben.“ Worauf Hohenlohe
dem Zaren sagt: der Deutsche Kaiser habe es ihm unter dem Siegel der
Verschwiegenheit mitgeteilt. Zum Schlusse jener Unterhaltung trägt
der Zar dem Kanzler beste Grüße an den Kaiser auf und bittet ihn, ihm
persönlich zu schreiben, wenn er etwas mitzuteilen habe. Das war im
Herbst 1895. Der Zar nahm damals und ebenso während seines Besuches
zu Breslau im nächsten Jahre Gelegenheit, sein tiefes Mißtrauen gegen
die großbritannische Politik zum Ausdrucke zu bringen. „Die Beziehungen
Rußlands zu Deutschland“, sagte Nikolaus II. dem Kanzler, „werden
stets gute bleiben.“
Aus diesen Mitteilungen des alten Kanzlers, die, als sie nieder-
geschrieben wurden, für die Offentlichkeit nicht bestimmt waren, geht der
Umschwung unwidersprechlich hervor, den die deutsch-russischen Be-
ziehungen durch das Zusammengehen von 1895 erfahren hatten. Klar
wird ebenfalls, daß dieses Zusammengehen die Grundlage für die
spätere deutsche Pachtung an der Kiautschoubucht bildete. Die Gesamt-
beurteilung jener Schwenkung der deutschen Politik muß also eine sehr
wesentlich andere sein als die zeitgenössische jener Tage, ganz einerlei,
wie man sich zu dem später zu erörternden Werte der Kiautschoupachtung
stellen will.
Das deutsche Zusammengehen mit Rußland und Frankreich wurde