Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Die europäische Entente in Ostasien. 85 
  
  
Besuche in Petersburg dem Zaren gesagt: wir wären (in Ostasien) von 
dem Wunsche geleitet gewesen, unsere guten Beziehungen zu Rußland zu 
manifestieren. Darüber sei der Zar erfreut gewesen und habe selbst seiner 
Befriedigung über die deutsche Politik in der ostasiatischen Angelegen- 
heit Ausdruck gegeben. — Selbstverständlich braucht man aus der Oar- 
stellung, die Hohenlohe dem Zaren gab, nicht zu schließen, daß die deut- 
sche Politik nur von dem Wunsche beberrscht gewesen sei, „unsere guten 
Beziehungen zu Rußland zu manifestieren“". Mitgespielt hat aber, wie 
gesagt, dieses Motiv ohne Zweifel stark. Bemerkenswert ist auch die 
Außerung des Zaren, ob nicht die Person des damaligen Staatssekretärs, 
Freiberrn v. Marschall, die Ursache der deutsch-russischen „Mißverständ- 
nisse“ gewesen sei. Hohenlohe antwortete darauf, „daß Marschall nur 
das täte, was ihm befohlen werde, daß nichts ohne den Befehl des Kai- 
sers geschehe“. Schließlich gibt der Füest die sibpllinische Bemerkung 
von sich: „vielleicht hätten Meinungsverschiedenheiten zu Mißverständ- 
nissen Anlaß gegeben“. Er hätte es lieber umkehren können. Den wich- 
tigen Kern der deutschen Stellungnahme enthüllt Hohenlohe in dem 
gleichen Berichte durch die Mitteilung, der Zar habe ihm gesagt: „er 
habe unserem Kaiser im Frühjahr geschrieben, er würde nichts dagegen 
haben, wenn wir uns irgend etwas dort erwerben wollten, um einen 
festen Punkt oder eine Kohlenstation zu haben.“ Worauf Hohenlohe 
dem Zaren sagt: der Deutsche Kaiser habe es ihm unter dem Siegel der 
Verschwiegenheit mitgeteilt. Zum Schlusse jener Unterhaltung trägt 
der Zar dem Kanzler beste Grüße an den Kaiser auf und bittet ihn, ihm 
persönlich zu schreiben, wenn er etwas mitzuteilen habe. Das war im 
Herbst 1895. Der Zar nahm damals und ebenso während seines Besuches 
zu Breslau im nächsten Jahre Gelegenheit, sein tiefes Mißtrauen gegen 
die großbritannische Politik zum Ausdrucke zu bringen. „Die Beziehungen 
Rußlands zu Deutschland“, sagte Nikolaus II. dem Kanzler, „werden 
stets gute bleiben.“ 
Aus diesen Mitteilungen des alten Kanzlers, die, als sie nieder- 
geschrieben wurden, für die Offentlichkeit nicht bestimmt waren, geht der 
Umschwung unwidersprechlich hervor, den die deutsch-russischen Be- 
ziehungen durch das Zusammengehen von 1895 erfahren hatten. Klar 
wird ebenfalls, daß dieses Zusammengehen die Grundlage für die 
spätere deutsche Pachtung an der Kiautschoubucht bildete. Die Gesamt- 
beurteilung jener Schwenkung der deutschen Politik muß also eine sehr 
wesentlich andere sein als die zeitgenössische jener Tage, ganz einerlei, 
wie man sich zu dem später zu erörternden Werte der Kiautschoupachtung 
stellen will. 
Das deutsche Zusammengehen mit Rußland und Frankreich wurde
	        
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