Die europäische Entente in Ostasien. 87
Erwerb zweier ostasiatischer Stützpunkte bestanden hätte. Oeutschland
wollte den Zweck, es mußte auch die Mittel wollen. Es ist auch gesagt
worden, die deutsche Politik habe mit jenem Schritte um Frankreichs
Gunst werben oder überhaupt Anschluß an die europäischen Festlands-
mächte finden wollen. Das kann, wie aus allem obigen hervorgeht, zu-
mal hinsichtlich Frankreichs, höchstens alö wünschenswerte Begleiterschei-
nung betrachtet worden sein. Man darf auch nicht vergessen, daß dieser
Schritt im selben JZahre erfolgte, wo Kaiser Wilhelm sein öffentliches
Bekenntnis zur Notwendigkeit deutscher Weltpolitik ablegte. Hier bot
sich Gelegenheit zu einem weltpolitischen Schritte von anscheinend großer
weltwirtschaftlicher Tragweite und sie wurde benutzt. Die Psychologie
gerade jener Periode der amtlichen Politik scheint unter dem Motto:
Weltpolitik zu stehen, letztere dagegen weniger als jeweiligen Haupt-
zweck Anderungen der europäischen Gruppierung im Auge gehabt zu haben.
Auf die Gefahr hin, eine Ketzerei auszusprechen, möchten wir meinen,
daß die deutsche Politik darauf ausging, eine Politik der freien Hand nach
jeder Seite hin zu sein; ob und wann sie dieses Ziel erreicht hat, — diese
Frage ist von der Tatsache jenes Bestrebens — oder Programmes —
unabhängig und zu trennen.
Man muß degzhalb auch die Auffassung für unrichtig halten: der
deutsche Schritt 1895 habe gewissermaßen eine prinzipielle Abkehr der
deutschen Politik von England bedeutet. Daß das nicht der Fall war,
zeigt eine Reihe von späteren Ereignissen und Momenten, außerdem
waren 1895 die Tage der kurzen deutsch-britischen Intimität schon vor-
über, und die südafrikanische Krisis übte ihren Einfluß auf die deutsch-
englischen Beziehungen bereits seit 1894. Es mag sein, daß die Leiter
und Bertreter der deutschen Politik noch immer hofften, durch gelegent-
lichen Anschluß an Großbritannien erfolgreich weltpolitischen Zielen nach-
gehen zu können. Um es aber noch einmal zu sagen: Zweck und Ziel war
Weltpolitik. Ihr ordnete man die Ubel, welche den Leitern der deutschen
Politik als die kleineren erschienen, unter. Oaß tatsächlich diese Übel
nicht „die kleineren“ waren, hat vor allem und in verhängnisvoller Weise
die Unterschätzung Japans gezeigt.
Die englische Handelseifersucht — Das erste Flottengesetz.
In einer öffentlichen Versammlung sagte der frühere Premier-
minister Lord Roseberny: er führe die Störung des Berhältnisses zwischen
Großbritannien und Deutschland nicht nur auf die Transvaalfrage, son-
dern vor allem darauf zurück, daß Deutschland Großbritannien auf wirt-
schaftlichem Gebiete zu überflügeln beginne. Er sei ganz überrascht von