Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Dle englische Handelseifersucht — Das erste Flottengesetz. 89 
  
Grund zum Gegenteile vor, nachdem der „Zwischenfall“ an sich Erledi- 
gung gefunden hatte, und seitdem der britischen Politik in Südafrika 
durch die deutsche Politik keinerlei Hindernisse in den Weg gelegt wurden. 
Auch in der Folge zeigte sich auf beiden Seiten der Wunsch und 
ebenso die Möglichkeit, gelegentlich politisch zusammenzugehen. In Eng- 
land sollten sich bald noch viel weitergehende Bestrebungen für eine An- 
näherung an Oeutschland entwickeln. Trotz alledem aber war seit der 
Krügerdepesche die Stimmung zwischen den Bevölkerungen der beiden 
Länder eine dauernd schlechte und tief erbitterte, die Regierungen moch- 
ten tun und wünschen, was sie wollten. Diese Verstimmung bezog sich 
zunächst direkt auf die südafrikanische Angelegenheit. Man war in Deutsch- 
land tief erbittert über ihren Ausgang und niedergeschlagen angesichts 
der deutschen Ohnmacht. Man erhob die beftigsten Vorwürfe gegen die 
nachherige Politik der Reichsregierung, obgleich diese, wie wir vorher 
sahen, sachlich die einzig mögliche war. Man verstand vielfach nicht, daß 
die Politik, welche zur Krügerdepesche führte, eine unrichtige deshalb war, 
weil sie nicht auf dem Boden einer ihren Zielen entsprechenden Macht 
stand und alle Faktoren der anderen Seite falsch einschätzte. Als nun voll- 
ends nach der Krügerdepesche der unerwartete Sturm der öffentlichen 
Meinung in England unverhüllte Feindseligkeit und geringschätzigste Auße- 
rungen über die deutsche Politik und ihre Machtmittel brachte, vertiefte 
sich nur noch die Wirkung auf das deutsche Bolk, ohne daß freilich un- 
glücklicherweise die grundsätzliche Fehlerhaftigkeit der deutschen Süd- 
afrikapolitik bis 1896 richtig gewürdigt worden wäre. Dagegen begann 
es in den Köpfen zu dämmern, daß der Oeutsche Kaiser doch wohl mehr 
Recht habe, als man bisher geglaubt hatte, wenn er eine starke deutsche 
Flotte verlangte und zu schaffen versuchte. 
Die Stimmung der britischen Bevölkerung nahm an Erbitterung zu, 
aber — umgekehrt wie die deutsche — verlegte sie sich beinahe ausschließ- 
lich auf die Beobachtung und die Aufbauschung der wirtschaftlichen Ri- 
valität zwischen den beiden Mächten. Jener Zeitabschnitt vom Beginn 
des Jahres 1896 bis zur Jahrbundertwende hinterläßt die Uberzeugung, 
daß es ganz unrichtig ist — wie es auch heute noch geschieht — von den 
„unheilvollen Folgen der Krügerdepesche“ zu sprechen, die unsere Be- 
ziehungen zu England verdorben haben sollen. Aufrechterhalten läßt 
sich weiter nichts, als daß die Krügerdepesche einen Ausbruch beispiel- 
loser Heftigkeit der öffentlichen Meinung in England zur Folge gehabt 
hat. Die Krügerdepesche kann aber nur als der äußere Anlaß, als die Ge- 
legenheit dieses Ausbruches angesehen werden, nicht als seine Ursache. 
Die eigentliche Ursache lag vielmehr in dem Gefühle der Engländer, 
daß Deutschland auf dem wirtschaftlichen Gebicte sich zu einem ständig
	        
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