Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

90 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903. 
  
gefährlicher werdenden Nebenbuhler entwickele. Solange sich die öffent- 
liche Meinung in England der Uberzeugung hingab, dieser wirtschaft- 
liche Nebenbuhler werde sich zum mindesten nicht einfallen lassen, eine 
selbständige überseeische Politik zu versuchen, bielt man nicht für ange- 
zeigt, die vorhandene Unruhe und Erbitterung wegen des wirtschaft- 
lichen Wettbewerbes Deutschland gegenüber zum Auedruck zu bringen. 
Man konnte nicht wissen, in was für Lagen die politische und militärische 
Hilfe des Deutschen Reiches sich als von unschätzbarem Werte für Groß-- 
britannien erweisen würde. Aun schien mit der Krügerdepesche nicht nur 
die Illusion zerstört worden, daß das Deutsche Reich sich in überseeischen 
Dingen freiwillig von der britischen Politik abhängig machen werde, son- 
dern man konnte auch nicht mehr darüber zweifelhaft sein, daß Deutsch- 
land, wenn auch nicht im Besitze der erforderlichen Macht, des Willens 
war, seine wirtschaftliche Entwicklung über See auch durch die Mittel 
der Politik so sehr zu fördern, wie es nur immer anging, allein oder im 
Vereine mit anderen Mächten. Ein Beispiel dafür hatte 1895 der deutsch- 
russisch-französische Zusammenschluß im fernen Osten geliefert. Auch 
da befand sich also Deutschland im Lager des schlimmsten und gefähr- 
lichsten Gegners der britischen Politik in Asien, während die beiden 
Inselmächte, Zapan und Großbritannien, allein auf der Gegenseite 
standen. 
Zn Deutschland ist es nur wenig bekannt geworden, daß die deutsche 
Regierung im JZahre 1896 mit der russischen und der französischen Regie- 
rung in Verbindung trat, um womöglich ein Abkommen zu vereinbaren, 
welches die Garantie der Neutralität der südafrikanischen Republiken ge- 
währleistete. Wie weit diese Besprechungen gedieben, wissen wir nicht. 
Nach dem Gesagten war aber klar, daß sie zu einem Ergebnisse nicht füh- 
ren konnten, weil Frankreich jede derartige BVerbindung mit dem Deut- 
schen Reiche ablehnte und schon im Falle der Wahrscheinlichkeit eines 
ernsten europäischen Konfliktes sich gegen Deutschland gestellt haben würde. 
Dazu kam, daß die Transvaalsche Republik sich dem deutschen Gedanken 
gegenüber keineswegs entgegenkommend verhielt. Der weitblickende und 
energische Staatssekretär Dr. Leyds freilich war ein überzeugter Ver- 
fechter des Planes, aber sein Bertreter in Südafrika dachte anders, und 
Präsident Krüger war schwach, beberrschte wohl auch nicht in dem Maße 
das Gebiet der Politik und Diplomatie, wie man im allgemeinen ange- 
nommen hat. Aberflüssig ist es zu sagen, daß die englische Politik alles 
Denkbare tat, um zu hintertreiben, daß die Südafrikanischen Republiken 
vertraglich sich unter den Schutz der europäischen Festlandmächte stellten. 
Genug, der Plan scheiterte, und mit ihm scheiterten die glänzenden wirt- 
schaftlichen Aussichten Deutschlands in Südafrika sowie die Hoffnung,
	        
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