Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

114 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903. 
  
des seebeherrschenden Englands, außerdem an Ort und Stelle von dem 
guten Willen Japans, das seit dem Russisch-JZapanischen Kriege die un- 
beschränkte Seeherrschaft in den ostasiatischen Gewässern besaß. Wollte 
man nun selbst annehmen, daß die seebeherrschenden Mächte dem Deut- 
schen Reiche keine ernsten Hindernisse in den Weg gelegt hätten, um das 
erforderliche Material zum Bau und zur Armierung einer gewaltigen 
Seefestung nach Ostasien zu bringen und den Bau auch auszuführen, so 
war doch unausweichlich, daß Deutschland sich mit einem solchen Platze 
einen Stein des Anstoßes und einen Angriffspunkt für andere Mächte 
schuf, ohne die Möglichkeit, im Kriege Berbindung mit diesem Platze auf- 
rechterhalten zu können. Bestand in einem deutsch-englischen Kriege 
selbstverständlich keine Möglichkeit, deutsche Kriegsschiffe und Truppen- 
transporte nach Kiautschou zu senden, so war das gleiche in einem deutsch- 
französischen Kriege sehr zweifelhaft, zum mindesten aber überaus zeit- 
raubend. Außerdem mußte man aber damit rechnen, daß nicht nur China 
jeede unbequeme oder gefährdete Lage Oeutschlands ausgenutzt haben 
würde, um ein stark befestigtes deutsches Kiautschou als solches vom 
ostasiatischen Festlande verschwinden zu lassen. Darin lag wieder die 
Wabbrscheinlichkeit, daß eine Parteinahme gegen Oeutschland in China 
weit eher wahrscheinlich wurde als das Gegenteil. Selbst ein neutrales 
Großbritannien hätte keinerlei Interesse daran gehabt, daß Kiautschou 
deutsch bliebe, im Gegenteil! Solchen Uberlegungen gegenüber wurde 
bieweilen der Einwurf erhoben: man müsse eben, wenn man überhaupt 
in Ostasien etwas wolle, eine uneinnehmbare Festung aus Kiautschou 
machen, nach der Landseite wie nach der Seeseite. Wirklich uneinnehm- 
bare Festungen gibt es kaum, und in diesem Einzelfalle liegt auf der Hand, 
daß die Bedingungen einer uneinnehmbaren Festung im fernen Osten 
gerade für Deutschland am allerschwersten zu schaffen waren. Wirklich 
gesichert werden und sein konnte, wie gesagt, das Kiautschougebiet nur 
durch ein enges politisches Einvernehmen zwischen dem Oeutschen Reiche 
und Japan. Dieses hätte, trotz der Mißstimmungen von 1895, das Ziel 
der deutschen Ostasienpolitik sein müssen. (In den vorigen Auflagen dieses 
Buches konnte man dieses nicht sagen, s. u.) 
Ein Bergleich Kiautschous mit Port Arthur war schon deshalb nicht 
richtig, weil dieser Platz sich in Landverbindung mit Rußland befand und 
den dauernden Stützpunkt für eine starke russische Flotte abgegeben haben 
würde, wenn nicht der Russisch--Japanische Krieg dazwischen gekommen 
wäre. Und dieser Krieg kam auch nicht zufällig dazwischen, sondern weil 
Japan es unerträglich fand, eine solche See- und Landmacht dicht vor 
seinen eigenen Küsten groß werden zu sehen. Das Oeutsche Reich konnte 
aber nicht daran denken, gewissermaßen seinen maritimen Schwerpunkt
	        
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