Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

116 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895- 1903. 
  
Der dritte Vertrag war zwischen Rußland und Japan über Korea ge- 
schlossen worden. Die Selbständigkeit Koreas wurde anerkannt, beide 
Mächte verpflichteten sich, vor direkter Einmischung in die inneren An- 
gelegenheiten des Landes sich jedesmal untereinander zu verständigen, 
wenn es sich um Ernennung von militärischen Instruktoren und finan- 
ziellen Ratgebern handle. Ferner: Rußland werde den wirtschaftlichen 
Beziehungen zwischen Japan und Korea keine Hindernisse bereiten. 
Wie die Dinge mit Korea damals lagen, bedeutete der Vertrag für 
Rußland einen sehr wesentlichen Erfolg und schuf im Bereine mit den 
beiden anderen Verträgen Rußland mit einem Schlage eine gewaltige 
Stellung im fernen Osten. 
Zn Großbritannien erregte dieser neue russische Schritt enormes 
Aufsehen; er wirkte wie eine Bombe. HOie öffentliche Meinung Groß- 
britanniens und seine Staatsmänner saben die Integrität Chinas und 
damit besonders die wirtschaftlichen Interessen Großbritanniens im Reiche 
der Mitte auf das schwerste bedroht. 
Aichtsdestoweniger handelte die britische Regierung schnell ent— 
schlossen: bereits am 2. April wurde zwischen ihr und China ein Pacht- 
vertrag geschlossen, der den Küstenpunkt Wei-hai-wei am Gelben Meere 
in großbritannischen Besitz brachte. 
Oiesei drei Pachtungen: Kiautschou, Port Arthur und Wei-hai-wei 
waren ihrem Charakter nach völlig voneinander verschieden. Uber Kiau- 
tschou haben wir gesprochen; diese Pachtung verfolgte keine Zwecke macht- 
politischer Natur. Port Arthur und seine Bahnverbindung nach den 
großen sibirischen Linien sollten Kopf und Rückgrat für eine russische 
Provinz bilden, welche man einst von China abzutrennen hoffte, be- 
stehend aus der Mandschurei, den Halbinseln Korea und Kwantung. 
Hier lag also ein imperialistischer Plan größten Stiles vor, in welchem 
Machtpolitik und Wirtschaftspolitik gleichermaßen enthalten waren. Oie 
britische Pachtung von Wei-hai-wei schließlich verfolgte weder wirtschaft- 
liche, noch imperialistische Zwecke, sondern bildete einen rein militärischen 
Gegenzug gegen Port Arthur. Im Frühling desselben Jahres äußerte 
sich Balfour als Vertreter der englischen Regierung dazu folgender- 
maßen: „Als die Regierung von den Verhandlungen Rußlands bezüglich 
Port Arthurs hörte, habe sie Rußland vorgeschlagen, von der Besitz- 
nahme abzustehen, während England seinerseits sich verpflichten wollte, 
von keinem Hafen in der Bucht von Petschili Besitz zu ergreifen. Ruß- 
land habe diesen Vorschlag abgelehnt und sei daraufhin benachrichtigt 
worden, daß England für sich die Freiheit beanspruche, die zum Schutze 
seiner Interessen nötigen Schritte zu tun. Man habe darauf Wei-hai-wei 
zu denselben Bedingungen erhalten wie Rußland Port Arthur. Von
	        
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