Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

118 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903. 
  
Ganz im Gegensatze zur Stellungnahme Großbritanniens während 
des Griechisch-Türkischen Krieges im vergangenen Zahre (1897), zeigten 
im Jahre 1898 die Parlamentedebatten in London eine ausgesprochene 
und entschiedene Neigung der britischen Regierung zur Annäherung an 
Deutschland. Aicht nur hatte man jene freundliche und entgegenkommende 
Erklärung hinsichtlich Wei-hai-weis abgegeben, zu der die britische Re- 
gierung in keiner Weise verpflichtet gewesen war, sondern der Schatz- 
kanzler Balfour fragte ausdrücklich im Parlamente: was nun nach einer 
solchen freiwilligen Erklärung zur Bersöhnung der öffentlichen Meinung 
Deutschlands im Wege stände. Die parlamentarische Opposition sprach 
sich mit einer solchen Heftigkeit gegen ein Bündnis Großbritanniens mit 
Deutschland aus, daß schon daraus auf konkrete Annäherungsabsichten 
innerhalb der britischen Regierung geschlossen werden mußte. Der Ko- 
lonialsekretär Chamberlain erklärte: „Ich bin vollkommen bereit zu sagen, 
daß ich bessere Beziehungen zu Oeutschland wünsche. Ich glaube, daß 
unsere Interessen in China denen Oeutschlands viel näher verwandt sind 
als denen Rußlands.“ Anderseits betonte der Kolonialsekretär im Par- 
lamente und in einer großen Rede in Birmingham, daß die Jsolierung 
Großbritanniens angesichts der Ereignisse im fernen Osten „gefährlich“ 
sei: „Solange China in seiner gegenwärtigen Lage und England ohne 
Verbündete ist, würde es in Zukunft möglich sein, die Unabhängigkeit 
Chinas gegen die Einfälle einer großen militärischen Macht zu bewahren? 
.. Has Ergebnis des ODreibundes war die Erhaltung des europäischen 
Friedens. Und wenn Bündnisse im Plane wären, denen England mit 
demselben Ziele beitreten könnte, — würde das eine Fingotat sein, ein 
solches Bündnis einzugehen?“ Lord Beresford trat öffentlich dafür ein, 
England solle sich bestreben, mit Deutschland zu einer Berständigung 
zu gelangen, und Lord Curzon, der Unterstaatssekretär des Auswärtigen 
Amtes, meinte: man sei nicht berechtigt, neue Konkurrenten mit Eifer- 
sucht zu betrachten, solange ihr Wettbewerb friedlich und legitim sei, 
Curzon sprach das weise, und angesichts seiner damaligen Jugend doppelt 
bedeutende Wort: England solle, anstatt eifersüchtig zu sein, sich lieber 
bemühen, im Zeitalter der Konkurrenz dasjenige zu erhalten, was es 
im Zeitalter des Monopols erworben habe. 
Die britische Stimmung charakterisierte sich alles in allem: als Miß- 
trauen gegen die russische Politik, Besorgnis gegenüber der wachsenden 
russischen Machtstellung im fernen Osten; Furcht, Rußland gebe auf 
Zerstückelung Chinas hinaus und England allein würde diese nicht hintan- 
halten können. Sich der Inselmacht Japan zu bedienen, dieser Gedanke 
war seit 1895 schon den britischen Staatsmännern nicht fremd gewesen, 
jedoch hielt man wahrscheinlich die japanische Macht vorläufig nicht für
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.