Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

122 2. Abschnitt. Weltpolltische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903. 
epentualität“, wie Bülow die Lage bezeichnete, eintreten würde, konnte 
naturgemäß nicht bestimmt werden, während anderseits außer Zweifel 
stand, daß Großbritannien in der Hand hatte, Portugals Geldverlegenheiten 
ihren Gang natürlicher Steigerung gehen zu lassen oder sie zu bebeben. 
Oie folgenden anderthalb Jahrzehnte haben gezeigt, daß die britische 
Politik sorgfältig vermied, eine Konstellation eintreten zu lassen, die jenen 
Gebeimvertrag akut gemacht hätte. Dagegen sicherte England sich durch 
Eisenbahn- und Hafenkonzessionen den wirtschaftspolitischen Einfluß auf 
eben die Gebiete, für welche Deutschland „Vorzugsrechte“ erhalten hatte. 
Die deutschen Bemühungen: Kohlenstationen auf Madeira und den Azoren 
zu erwerben, wurden durch britische Ränke bei der portugiesischen Re- 
gierung hintertrieben, kurz die britische Politik wollte zwar Deutschland 
durch eine „Annäherung“ sich nutzbar machen, meinte die Annäherung 
selbst aber keineswegs ehrlich. 
Was Südafrika anlangte, so hatte sich auch vor diesem Geheim- 
abkommen die Sprache der englischen Regierungsvertreter gegen 1895/96 
keineswegs geändert. Nach 1897 forderte Chamberlain laut und aus- 
drücklich eine Politik der festen Hand in der transvaalschen Ausländer-- 
frage, und Cecil Rhodes erklärte: „so wird allmählich die Union Süd- 
afrikas erreicht werden“ 1898 im Februar, also eine erhebliche Zeit- 
spanne vor dem Abbschlusse des deutsch-britischen Abkommens, erklärte 
Chamberlain im Parlamente in einer Note an den Präsidenten Krüger: 
„Ihre Moajestät nimmt gegenüber der südafrikanischen Republik die Stel- 
lung eines Souveräns ein, der dem Bolke dieser Republik Selbstregierung 
unter gewissen Bedingungen gewährt hat.“ Das war die Politik, die 
Chamberlain tatsächlich auch trieb und die entweder zu freiwilligem 
Nachgeben der Buren oder zum Kriege führen mußte. 
Nach der Politik und der Persönlichkeit Bülows darf man annehmen, 
daß er der südafrikanischen Frage und der Burenfrage im besonderen 
kühl gegenüberstand und mit einer ganz anderen Auffassung der Dinge 
in sein Amt eintrat, wie sie sein Borgänger, Baron Marschall, bis zum 
Krügertelegramme betätigt hatte. Die Unmöglichkeit, den blritischen 
Plänen in Südafrika erfolgreichen und in seinen Ergebnissen für Deutsch- 
land vorteilhaften Widerstand zu leisten, ist dem Staatssekretär wie dem 
Reichskanzler Bülow ohne Zweifel von Anfang an eine selbstverständliche 
Tatsache, ein einfaches Ergebnis richtiger Einschätzung der Machtfrage ge- 
wesen. Die englischen Staatsmänner waren über die Machtfrage ebenso- 
gut orientiert wie die deutschen, sie wußten ebenso genau, daß sie Deutsch- 
lands Neutralität durch Zugeständnisse nicht zu erkaufen brauchten. War- 
um also sollte es ihnen überhaupt in den Sinn gekommen sein, um etwas 
zu werben, dessen sie nicht benötigten? Die großbritannischen Staats-
	        
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