Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

124 2. Abschnitt. Weltpolitische Muühen ohne zureichende Mittel. 1805 1903. 
  
schloß man sich aber, der Einladung Folge zu leisten, im richtigen Ge- 
fühle, daß es sich beiderseits um einen Höflichkeitsakt handle, der zu nichts 
verpflichte und keine tiefere Bedeutung habe. Das französische Ge- 
schwader nahm aber Gelegenheit, den Besuch zu einer politischen De- 
monstration zu machen, indem es im Verein mit dem russischen Geschwader, 
nicht allein, in den Kieler Hafen einlief; zum Zeichen, daß Frankreich 
nicht alleinstehe, sondern sich auf einen mächtigen Bundesgenossen stütze. 
Während der Festlichkeiten selbst benahm sich der französische Geschwader--- 
chef mit seinen Offizieren ungeschickt und unhöflich. 
Man hat diese Politik deutscher Aufmerksamkeiten viel getadelt, 
im besonderen geglaubt, daß der Kaiser sich Zllusionen über ihren Ein- 
druck mache. Oafür spricht jedoch nichts, was beweisbar wäre, um so 
weniger, als der Kaiser bei anderen Gelegenheiten niemals gezögert 
hat, Frankreich in seinen Reden auch entgegengesetzte Seiten zu zeigen. 
Die Franzosen haben sich damals freilich die Ansicht gebildet, daß der 
Deutsche Kaiser geradezu mit Sehnsucht auf freundliche Worte seitens 
der Franzosen warte und die sogenannte Bersöhnung mit allen Fasern 
seines Wesens erstrebe. Diese Auffassung ist eine nicht erwünschte Folge 
der deutschen Liebenswürdigkeiten von damals gewesen. 
Gleichwohl war nicht in Abrede zu stellen, daß politische Ereignisse 
der neunziger Jahre verschiedentlich eine gewisse äußerliche Annäherung 
zwischen den beiden Mächten zustande brachten. Der gemeinsame Pro- 
test gegen den englischen Vertrag mit dem Kongostaate, das entschiedene 
Zusammengehen im fernen Osten seit dem Jahre 1895, die gleichartige 
Stellungnahme der deutschen und der französischen Politik im nahen 
Oriente während der armenischen und der griechisch-türkischen Krisis, 
das war alles eine sachliche Parallelarbeit, welche hauptsächlich durch 
die Vorurteilslosigkeit und die bewegliche Politik Hanotaux', des dama- 
ligen Ministers des Auswärtigen, ermöglicht worden war. In der Frage 
des britischen Dongolafeldzuges freilich waren die französischen und die 
deutschen Ansichten einander entgegengesetzt. Man geht aber fehl, jene 
gelegentliche Zusammenarbeit als den Beginn oder eine Vorstufe zur 
„Versöhnung“ zu betrachten. Auch Hanotaux selbst hat daran niemals 
gedacht. Es handelte sich vielmehr um Dinge, die zehn ZJahre später 
von einem französischen Politiker und Schriftsteller als der Austausch 
des Kleingeldes der Diplomatie bezeichnet wurden. Daß im übrigen keine 
Anderung eingetreten war, dafür lieferte jene Erklärung des amtlichen 
Frankreichs nach der Krügerdepesche den schlagenden Beweis: Frank- 
reich habe nur einen einzigen Feind, und zwar auf dem Festlande; England 
möge danach seine Politik einrichten ... Man sieht daraus unter anderm, 
daß den Franzosen der Gedanke einer Annäherung an England auch da-
	        
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