146 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Milttel. 1895—1903.
Frankreich und Rußland intervenieren. — Es ist so gut wie unmöglich,
daß der Deutsche Kaiser bzw. die deutsche Reichsregierung derartige Ver-
sicherungen abgegeben haben könnten, denn diese hätten einmal im Gegen-
satze zu allen Erfahrungen gestanden, die man gelegentlich des Krüger-
telegramms gemacht hatte, und in ebenso scharfem Gegensatze zu dem
Kurse, welchen die Politik des ODeutschen Reiches seitdem konsequent
befolgt hatte. Daß eine rein diplomatische Unterstützung den Buren
versprochen worden sei, ist nicht unmöglich, unglaublich jedoch, daß
Präsident Krüger auf eine solche Hilfe irgendwelche Hoffnungen gesetzt
hätte. Präsident Krüger kannte die britische Politik gut genug, zu wissen,
daß eine sogenannte diplomatische Intervention ohne Einfluß bleiben
würde.
Oazu kam, daß schon im Frühjahr 1899 die deutsche Reichsregierung,
und zwar zusammen mit der holländischen Regierung, dem Präsidenten
Krüger geraten hatte, den britischen „Reform“forderungen nachzugeben.
Darüber, daß im Kriegefalle eine wirksame, tatsächliche deutsche Hilfe
unmöglich sei, hatte die deutsche Regierung ebenso wie früher keinen
Zweifel gelassen.
Ein Bermittlungsvorschlag des Präsidenten der Bereinigten Staa-
ten, Mr. Mac Kinlep, wurde am 15. März 1900 von Lord Salisbury dahin
beantwortet, daß Großbritannien nicht die Absicht habe, die Bermitt-
lung einer fremden Macht in Südafrika anzunehmen. Um die gleiche
Zeit wurde die deutsche Antwort in Pretoria bekanntgemacht, welche
auf die Bitte der südafrikanischen Republiken um Bermittlung zur Her-
stellung des Friedens eingelaufen war: die deutsche Regierung sei zu
freundschaftlicher Bermittlung bereit, sobald beide Gegner eine solche
wünschten. Ob auf englischer Seite dieser Wunsch vorhanden sei, müßten
die Burenrepubliken durch Nachfrage feststellen, entweder direkt in Lon-
don oder durch die guten Oienste einer Regierung, die keine eigenen
wichtigen Interessen in Südafrika wahrzunehmen habe. Letztere Vor-
aussetzung träfe nicht für Oeutschland zu, und jeder derartige Schritt
würde „daher den Berdacht erwecken, daß wir andere als humanitäre
Zwecke verfolgen, und das dadurch vermehrte Mißtrauen würde der
Sache des Friedens nicht dienlich sein“.
Nach der Lage der Oinge war dieser Standpunkt richtig, zumal in
Anbetracht der Gewißheit, daß England sich durch Bermittlungevorschläge
nicht beeinflussen lassen würde. Auch der Hinweis auf die deutschen
Interessen in Südafrika war durch die Sachlage und durch die Nichtung
der deutschen Politik jener Jahre begründet: man wollte, wo cs5 das
eigene Interesse nicht dringend forderte, nicht in politisch unnötige Miß-
stimmung mit England geraten. Ein deutscher Vermittlungsversuch wäre