Deutschland und England während des Burenkrieges. 147
eine an sich zwecklose Demonstration gewesen und hätte nach anderen
Seiten geschadet.
In Frankreich sagte Delcassé auf eine Anfrage, was die Regierung
wegen der Bitte um Zntervention der südafrikanischen Republiken zu
tun gedenke: nach der entschiedenen Stellungnahme der britischen Re-
gierung, daß sie der Unabhängigkeit der beiden Republiken nicht zu-
stimmen könne, sei eine Einmischung der Mächte unmöglich geworden,
denn die Republiken hätten um eine Vermittlung bzw. Intervention eben
auf Grund der Anerkennung ihrer Unabhängigkeit gebeten. „Nach so
vielen schweren Erfahrungen und so tief greifenden Berschiebungen im
Gleichgewichte der Mächte kann Frankreich nicht zulassen, daß seine Pflich-
ten gegen die Welt — die es niemals versäumen wird — Frankreich
der Pflichten vergessen lassen, die es gegen sich selbst hat. Es hat nichts
verloren von der edlen Begeisterung, die von ihm so oft gezeigt wurde,
aber ein sicherer Instinkt sagt ihm, daß es sich dieser Begeisterung nicht
mehr unbedacht hingeben darf.“
Später ist bekannt geworden, daß von russischer Seite eine euro-
päische Intervention beim Deutschen Reiche und Frankreich angeregt
worden ist, eine Intervention nicht nur diplomatischer Natur, sondern mit
allen Konsequenzen der Machtmittel. Schon Anfang des Jahres 1900
nahm Rußland eine Probemobilmachung an der afghanischen Grenze vor,
lediglich auf das Gerücht hin, daß der Emir gestorben und Gärung unter
den Hindustämmen berrsche. Ein Petersburger Blatt schrieb: Es handle
sich zwar um keine Drohung gegen England, man habe nur feststellen
wollen, wie schnell eine Kolonne vom Kaukasus nach den afghanischen
Grenzen gelangen könne. Immerhin könne England daraus die Lehre
ziehen, daß seine unbestrittene Seeherrschaft ihm Rußland gegenüber
nichts nütze. Es sei deshalb auch wohl zu erwarten, daß bei zukünftigen
englisch-russischen Berbandlungen Großbritannien sich gefügiger zeigen
werde als vorher. —
Rußland konnte durch einen Krieg der drei Festlandmächte mit
England im wesentlichen nur gewinnen und setzte selbst wenig aufs Spiel.
Der russische Vorschlag war also begreiflich genug. Soviel bekannt ge-
worden ist, beantwortete der Deutsche Reichskanzler, Fürst Bülow, ihn
lediglich mit dem Fühler: die Bedingung einer gemeinsamen derartigen
Intervention wäre selbstverständlich gegenseitige Anerkennung ihrer Ge-
biete und Grenzen der drei Mächte untereinander. Oarauf hätte der
russische Geschäftsträger erklärt: keine französische Regierung, die da-
mit den Frankfurter Frieden anerkenne, würde sich auch nur einen Tag
lang am Ruder halten können. Oamit war dann der Plan einer euro-
päischen Intervention in der Versenkung verschwunden, selbstverständlich
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