Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Deutschland und England während des Burenkrieges. 147 
eine an sich zwecklose Demonstration gewesen und hätte nach anderen 
Seiten geschadet. 
In Frankreich sagte Delcassé auf eine Anfrage, was die Regierung 
wegen der Bitte um Zntervention der südafrikanischen Republiken zu 
tun gedenke: nach der entschiedenen Stellungnahme der britischen Re- 
gierung, daß sie der Unabhängigkeit der beiden Republiken nicht zu- 
stimmen könne, sei eine Einmischung der Mächte unmöglich geworden, 
denn die Republiken hätten um eine Vermittlung bzw. Intervention eben 
auf Grund der Anerkennung ihrer Unabhängigkeit gebeten. „Nach so 
vielen schweren Erfahrungen und so tief greifenden Berschiebungen im 
Gleichgewichte der Mächte kann Frankreich nicht zulassen, daß seine Pflich- 
ten gegen die Welt — die es niemals versäumen wird — Frankreich 
der Pflichten vergessen lassen, die es gegen sich selbst hat. Es hat nichts 
verloren von der edlen Begeisterung, die von ihm so oft gezeigt wurde, 
aber ein sicherer Instinkt sagt ihm, daß es sich dieser Begeisterung nicht 
mehr unbedacht hingeben darf.“ 
Später ist bekannt geworden, daß von russischer Seite eine euro- 
päische Intervention beim Deutschen Reiche und Frankreich angeregt 
worden ist, eine Intervention nicht nur diplomatischer Natur, sondern mit 
allen Konsequenzen der Machtmittel. Schon Anfang des Jahres 1900 
nahm Rußland eine Probemobilmachung an der afghanischen Grenze vor, 
lediglich auf das Gerücht hin, daß der Emir gestorben und Gärung unter 
den Hindustämmen berrsche. Ein Petersburger Blatt schrieb: Es handle 
sich zwar um keine Drohung gegen England, man habe nur feststellen 
wollen, wie schnell eine Kolonne vom Kaukasus nach den afghanischen 
Grenzen gelangen könne. Immerhin könne England daraus die Lehre 
ziehen, daß seine unbestrittene Seeherrschaft ihm Rußland gegenüber 
nichts nütze. Es sei deshalb auch wohl zu erwarten, daß bei zukünftigen 
englisch-russischen Berbandlungen Großbritannien sich gefügiger zeigen 
werde als vorher. — 
Rußland konnte durch einen Krieg der drei Festlandmächte mit 
England im wesentlichen nur gewinnen und setzte selbst wenig aufs Spiel. 
Der russische Vorschlag war also begreiflich genug. Soviel bekannt ge- 
worden ist, beantwortete der Deutsche Reichskanzler, Fürst Bülow, ihn 
lediglich mit dem Fühler: die Bedingung einer gemeinsamen derartigen 
Intervention wäre selbstverständlich gegenseitige Anerkennung ihrer Ge- 
biete und Grenzen der drei Mächte untereinander. Oarauf hätte der 
russische Geschäftsträger erklärt: keine französische Regierung, die da- 
mit den Frankfurter Frieden anerkenne, würde sich auch nur einen Tag 
lang am Ruder halten können. Oamit war dann der Plan einer euro- 
päischen Intervention in der Versenkung verschwunden, selbstverständlich 
10“
	        
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