Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

XVIII Zur Einführung. 
  
geschlossen sei und deshalb erstrebt werden müsse. Herr Valentin war also 
in der Tat etwas zu spät gekommen. 
Biel wichtiger als diese Tatsache und überhaupt als die Person des 
Herrn Professors Balentin und das, was er schrieb — viel wichtiger ist 
das, was er sollte und was der Zweck dieser seiner Tätigkeit war. 
Auf Grund von Tatsachen, die jeder weitere Monat des Krieges 
als unwiderleglich bestätigt hat, ist in dem vorliegenden Buche geschil- 
dert worden, wie die Politik des Deutschen Reiches unter der Führung 
des Reichskanzlers, Herrn v. Bethmann Hollweg, sich als ihren Angel- 
punkt und als ihren Zweck, dem alles unterzuordnen war, eine sogenannte 
Verständigung mit Großbritannien gesetzt hatte. Es wird geschildert, wie 
keine Tatsachen, keine Krisen und keine Rückschläge den Deutschen Reichs- 
kanzler von dieser Politik abbringen konnten. Erst die britische Kriegs- 
erklärung an jenem Augusttage des Jahres 1914 veranlaßte den Reichs- 
kanzler zudem unumwundenen Zugeständnis an den scheidenden Botschafter 
Sir E. Goschen: hiermit stürze seine ganze Politik wie ein Kartenhaus 
zusammen. 
Diese Politik ist in der Tat den wirklichen Berhältnissen und treibenden 
Kräften nicht entsprechend gewesen und hat weitesttragende Folgen gezeitigt. 
Und dazu muß immer hervorgeboben werden, daß die Berständigungspolitik 
des Reichskanzlers keineswegs allgemein in Deutschland geteilt wurde. Der 
Schöpfer und Organisator der deutschen Marine, Großadmiral v. Tirpitz, 
bat diese Politik niemals gebilligt, sondern die großbritannische Politik wie 
ihre Pläne immer klar und richtig erkannt; das ist geschichtlich. Die Politik 
und alle Auffassungen und Voraussagen des Staatssekretärs des Reichs- 
Marine-Amtes wurden durch den Eintritt Großbritanniens in den Krieg be- 
stätigt, die des Deutschen Reichskanzlers erwiesen sich als unzutreffend. 
Das vorliegende Buch hat diesen Gang der Dinge, wenn auch nur 
in großen Zügen, festgestellt, und deshalb griff der beim Auswärtigen 
Amte beschäftigte Professor Beit Balentin zur Feder, um vor dem Buche 
und dem Autor öffentlich zu warnen. Seine Feststellung von Unterschie- 
den zwischen den neuen Auflagen und der ersten und zweiten konnte 
für einen nüchternen Beurteiler nicht als Borwand ausreichend für eine 
derartige Verfluchung angesehen werden. 
Valentin ist voll Entrüstung, daß von der dritten Auflage an England 
als Seele und Triebfeder der gegen Oeutschland gerichteten Koalition 
und als eigentlicher Anstifter des Weltkrieges dargestellt wird. Er schreibt: 
„Oie Tendenz Reventlows, England als den Anstifter alles Bösen und das 
Haupt einer durch zehn ZJahre konsequent betriebenen Verschwörung 
gegen Oeutschland hinzuftellen, kommt an manchen Stellen seines Buches 
in geradezu belustigender Weise zum Vorschein.“ Zn der ersten und zwei-
	        
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