Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

1606 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903. 
deutschen General vielfach lebhafte Erbitterung erregte. Versetzt man 
sich an die Stelle der Franzosen, so waren diese Gefühle begreiflich. 
Die Großmächte traten in die ostasiatischen Berhältnisse des Zahres 
1900 schon mit ganz bestimmten, wennschon meist nicht ausgesprochenen 
politischen Programmen ein. Es war bezeichnend für den bereits damals 
vorhandenen Grad der Intimität zwischen Großbritannien und Japan 
und für die Absichten beider, daß vierzehn Tage nach der Ermordung des 
deutschen Gesandten, Baron v. Kettler, in Peking die englische Regierung 
der japanischen mitteilen ließ: Fapan sei die einzige Macht, die imstande 
wäre, rasch Berstärkungen nach Tientsin zu senden. Keine europäische 
Macht widersetzte sich dieser Maßnahme. Japan antwortete: es sei bereit 
zum Eingreifen mit einer größeren Truppenmacht, wenn es die Zusicherung 
erhalte, vor Verwicklungen geschützt und für seine Geldaufwendungen 
entschädigt zu werden. Lord Salisbury antwortete: Zapan lade eine 
schwere Verantwortlichkeit durch weiteres Zögern auf sich. Großbritannien 
sei bereit, die finanzielle Verantwortlichkeit für die japanische Aktion zu 
übernehmen, soweit diese sich auf die Rettung der Gesandtschaften in 
Peking beziehe. Japan dürfe aber nicht mehr zögern, hauptsächlich mit 
Rücksicht auf den verhängnisvoll schleppenden Gang internationaler 
Verhandlungen. — Zapan landete hieraufhin Truppen, während die 
übrigen Mächte sich auf Ausschiffung der Landungskorps ihrer ostasia- 
tischen Geschwader beschränkten, bis zum viel späteren Eintreffen der 
von der Heimat aus in Marsch gesetzten Truppentransporte. Nur Ruß- 
land schob seine Regimenter sofort aus Sibirien vor. 
Oie russischen Regimenter eroberten und besetzten in der Mandschurei 
die Städte Charbin, ferner Niutschwang und Aigun. Hie chinesische 
Regierung zögerte nicht, den Abzug der russischen Truppen aus der Man- 
dschurei zu verlangen. Es ist anzunehmen, daß. auch von britischer Seite 
damals schon Bedenken geäußert worden sind. Zmmerhin konnte Ruß- 
land seine Eroberung der Mandschurei, denn darum handelte es sich, 
vorläufig mit der Tatsache rechtfertigen, daß die chinesische Aufstands- 
bewegung eben dort um sich griff. Ob das freilich Grund oder Folge 
der russischen Invasion bedeutete, war eine andere Frage. Zedenfalle 
mußte man anerkennen, daß Rußland mit außerordentlicher Promptbeit 
den Augenblick wahrgenommen und die Lage benutzt hat. 
ODie russische Regierung erließ Ende August im Auftrage des Zaren 
eine Verordnung, die zu einem erheblichen Teile auch bestimmt war, 
das Mißtrauen anderer Mächte wegen der Mandschureibesetzung zu be- 
schwichtigen. Es hieß darin: Rußland verfolge die Richtschnur der Auf- 
rechterhaltung der früheren Staatsordnung in China, „Beseitigung von 
allem, was zu einer Aufteilung des himmlischen Reiches führen könne.
	        
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