Boxerkrieg und Vangtse-Vertrag. 167
Sobald in der Mandschurei die dauernde Ordnung wiederhergestellt
ist, auch die unumgänglichen Maßnahmen zum Schutze der Eisenbahn
ergriffen sein werden — deren Bau noch eines formellen Einvernehmens
mit China bezüglich der Konzession bedarf, die der Gesellschaft der chine-
sischen Ostbahn verliehen werden soll —, wird auch das Nachbarreich
Rußland nicht ermangeln, seine Truppen aus diesem Gebiete zurück-
zurufen, vorausgesetzt, daß die Handlungsweise anderer Mächte dem
nicht im Wege steht.“
Zugleich wurde von der russischen Regierung den Mächten die Räu-
mung Pekings empfohlen, da deren Hauptzweck, die Befreiung der Ge-
sandtschaften und der in Peking wohnenden Aucsländer, hiermit erreicht
sei. Dieser Anregung widersetzte sich, wie gleich bemerkt werden mag,
die deutsche Regierung mit der Begründung: eine sofortige Räumung
Pekings werde nur als Schwäche der Mächte von China ausgelegt werden
und einen um so stärkeren Ausbruch des Ausländerhasses nachher zur
Folge haben. Der Hintergedanke des russischen Vorschlages war offen-
bar, daß dem russischen Vordringen und Walten in der Mandschurei
eine lange dauernde internationale Besetzung Nordchinas und seiner
Hauptstadt keineswegs günstig sein könne, schon wegen der allgemein
konzentrierten Aufmerksamkeit auf alles, was in China vorging. Außer-
dem war wohl die Absicht, durch den Vorschlag die Kaiserin-Mutter von
China und deren Regierung an Rußland zu verpflichten. Die ablehnende
deutsche Antwort war sachlich so zutreffend, daß sie eben deshalb gegeben
werden mußte. Daß es Deutschland war, die sie gab, und daß die deutsche
Regierung anderen Mächten nicht den Vortritt ließ, begründete sich
wohl darin, daß dem Feldmarschall Grafen Waldersee der Oberbefehl über
die internationalen Truppen in China erteilt worden war. Die eng-
lische Presse trat sofort auf die Seite Deutschlands, mit dem Widerspruche
gegen den russischen Borschlag, Peking zu räumen, und erklärte das ruf-
sische Berfahren für unhöflich gegen die anderen Mächte, deren Einig-
keit dadurch nur gestört werden könne. Nichtsdestoweniger wurden un-
mittelbar nachher die meisten in Peking befindlichen Truppen von dort
zurückgezogen, während die Eroberung und Okkupation der Mandschurei
erfolgreich und spstematisch fortgesetzt wurde.
Oiese Ereignisse spielten sich in den Monaten August und September
ab. Am 16. Oktober bereits wurde das folgende deutsch-englische Ab-
kommen bekannt. Wegen der großen Bedeutung, welche dieses Abkommen
mittelbar bald gewinnen sollte, möge sein Wortlaut folgen:
„Die an den Flüssen und an der Küste Chinas gelegenen Häfen
sollen dem Handel und jeder sonst erlaubten wirtschaftlichen Tätigkeit
für die Angehörigen aller Nationen frei und offen bleiben; die beiden