Boxerkrieg und Bangtse-Vertrag. 169
land und Oeutschland sich über etwaige Schritte verständigen. Nicht
minder wichtig war der Schlußabsatz, daß dieses Abkommen allen be-
teiligten Mächten mitgeteilt wurde unter gleichzeitiger Aufforderung, den
darin vertretenen Grundsätzen beizutreten. Nach nicht langer Zeit er-
folgten entsprechende Zustimmungen von seiten aller Mächte. — —
In Oeutschland war vielfach die Ansicht vertreten, dieses Abkommen
möge an und für sich ganz gut sein, könne jedoch uns leicht Rußland ent-
fremden. Denn welche andere Macht konnten England und Deutschland
meinen, wenn sie auf territoriale Gebietserwerbungen unter Benutzung
der chinesischen Komplikationen seitens einer Macht anspielten! Aller
Augen waren damals nach China gerichtet, nach Peking, und vor allem
nach der Mandschurei. Die Beschwerde der Pekinger Regierung gegen
das russische Borgehen in der Mandschurei wurde schon erwähnt, und
wir haben gesehen, wie in der russischen Note eine Räumung der Man-
dschurei in Aussicht gestellt wurde: nach Herstellung dauernder Ordnung,
nach Ergreifung unumgänglicher Schutzmaßnahmen für die Eisenbabnen
und vorausgesetzt, daß die Handlungsweise anderer Mächte dem russischen
Vorhaben, seine Truppen zurückzurufen, nicht entgegenstände. — Wie
viele Wenns und Abers, wie viele Möglichkeiten und Hintertüren in
diesen Sätzen lagen, darüber war man sich in der ganzen Welt klar, und
am meisten Besorgnis erregte die Mandschureifrage damals in Groß--
britannien und in Japan. Auf ZJapan ging allem Anscheine nach die
Andeutung der russischen Note von der „Handlungsweise anderer
Mächte“.
Rußland allein schien in dem deutsch-englischen Abkommen eigentlich
gemeint, als dieses den anderen beteiligten Mächten bekanntgegeben
und zur Anerkennung vorgelegt wurde. Mit einer gewissen Spannung
mag man die Stellungnahme der russischen Regierung abgewartet haben.
Diese traf wenige Tage darauf ein, erkannte die ersten Punkte des Ein-
vernehmens als für Rußland sympathisch an, weil beim Entsteben der
gegenwärtigen chinesischen Verwickelungen gerade Rußland als erste
Macht die Integrität Chinas proklamiert habe. „Was den dritten Punkt
betrifft, der die Möglichkeit einer Verletzung des Grundprinzipes vor-
auesieht, so kann die russische Regierung nur ihre Erklärung erneuern,
daß eine derartige Berletzung (der Integrität Chinas) Rußland zwingen
würde, die von ihm eingenommene Haltung je nach den Umständen zu
ändern.“
Die russische Note dreht gewissermaßen den Spieß um, indem sie eine
Verletzung der chinesischen Integrität durch Rußland als völlig außer
der Möglichkeit liegend ansieht. Die russische Regierung behält sich aber
freie Hand vor, und zwar selbständig, ohne Verpflichtungen oder Ver-