Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Boxerkrieg und Vangtse-Vertrag. 171 
Beziehungen entscheidend geworden. Es handelt sich um die Frage und 
um die Entscheidung, ob das Deutsche Reich im Vereine mit Großbri- 
tannien und mit JZapan gegen die russische Mandschureipolitik, im be- 
sonderen gegen den beabsichtigten BVertrag mit China protestieren wollte 
oder nicht. In England erwartete man mit Bestimmtheit, daß dies der 
Fall sein werde. Der Deutsche Reichskanzler nahm im Monat März des 
Jahres 1901 Gelegenheit, und zwar nicht auf besondere Anfrage, sondern 
in der Absicht einer Kundgebung „aus dem Fenster“ in folgender Weise 
die deutsche Stellung auszudrücken. Er sprach von gewissen Divergenzen 
zwischen den Mächten in China, von denen die einen hauptsächlich wirt- 
schaftliche Interessen, die anderen hingegen mehr politische Ziele ver- 
folgten. „Deshalb auch haben wir das deutsch-englische Abkommen ab- 
geschlossen, dessen Tendenz ich damals dahin zusammenfassen konnte, 
einerseits die Integrität von China so lange als möglich aufrechtzuerhalten, 
anderseits uns in China nur so weit zu engagieren, als dieses für unseren 
Handel geboten ist. Auf die Mandschurei bezieht sich das deutsch-eng- 
lische Abkommen nicht.“ Man habe bei den Berhandlungen mit England 
über das Abkommen den britischen Staatsmännern gegenüber keinen 
Zweifel gelassen, daß Deutschland dasselbe nicht auf die Mandschurei 
bezöge. Man habe dort keine nennenswerten Interessen. „Was aus der 
Mandschurei wird, — ja, meine Herren, ich wüßte wirklich nicht, was und 
gleichgültiger sein könnte.“ Fürst Bülow deutete also das Abkommen 
derart, daß sich das deutsche Interesse in China nur auf die Teile erstrecke, 
wo man Einfluß habe, mithin nicht auf die Mandschurei. Anderseits 
hatte Rußland durch die wiederholt gegebene Versicherung, es werde 
eines Tages die Mandschurei wieder räumen, etwaigen Versuchen Englands 
den Boden entzogen, jedenfalls dem Wortlaute nach, den zweiten und 
dritten Teil des deutsch-englischen Abkommens auf Rußland anzuwenden: 
nämlich die Erhaltung des chinesischen Territorialbestandes, und in wei- 
terer Folge die Erwägung gemeinsamer Maßnahmen gegen eine dritte 
Macht, welche „unter irgendeiner Form die chinesischen Komplikationen 
benutzen sollte, um territoriale Vorteile zu erlangen.“ — 
Gegen die Auslegung des Deutschen Reichskanzlers ließ sich nichts 
einwenden, um so weniger, als nach seiner Angabe Oeutschland bereite 
während der Berhandlungen mit England sich in diesem Sinne geäußert 
hatte. Lord Salisbury erklärte auf eine Anfrage im Unterhause, daß die 
Behauptung, Deutschland habe bei den Verhandlungen die Mandschurei 
auegeschlossen, nicht den Tatsachen entspreche. Lord Lansdowne als 
Staatssekretär des Außeren erklärte aber, eine Einschränkung bestehe nur 
in der damals gemachten Andeutung der deutschen Regierung, sie sähe 
die Mandschurei nicht als eins ihrer Einflußgebiete an, obgleich die beiden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.