188 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903.
zu erweisen, aber natürlich nicht viel ausrichten können, weil es sonst
England gegen sich auf den Plan gerufen haben würde. „. Uber ge-
wisse Dienste hinaus konnte Frankreich nicht gehen; seine Beteiligung
am Kampfe würde sofort England veranlaßt haben, kraft des englisch-
japanischen Vertrages für seinen Verbündeten einzutreten; das aber
hätte wieder einen allgemeinen Krieg hervorrufen können.“
Von Bedeutung für die Beurteilung nicht nur der russischen Ver-
hältnisse, sondern auch der deutschen Politik sind auch die folgenden Be-
merkungen des Generalstabswerkes: „Aus dem Gesagten ist ersichtlich, daß
in politischer Beziehung der Krieg nicht vorbereitet war. Wir hatten die
Soympathien vieler Bölker für uns, damit aber war auch die Sache ab-
getan. Die Beziehungen derjenigen Staaten zu uns, die für den bevor-
stehenden Kampf die größte Bedeutung hatten, waren entweder feindselig
oder wenig geklärt. Als Folge hiervon ergab sich, daß wir kein festes Ver-
trauen weder bezüglich unseres Rückens in Europa, noch unserer rechten
Flanke auf dem Kriegsschauplatze selbst hatten. Keinen einzigen Ver-
bündeten für den Fall eines bewaffneten Zusammenstoßes mit Japan
hatten wir uns verschafft, die Strategie erbielt keine Hilfe von der Politik.“
Letzteres sei wohl daher gekommen, weil die russische Politik geglaubt
habe, immer wieder Zapan beschwichtigen zu können, und selbst keinen
Krieg gewollt habe. Das dürfte richtig sein, denn Rußland unterschätzte
die Fapaner wohl noch mehr als der übrige Teil Europas.
Die Bemerkungen, welche Oeutschland betreffen, zeigen trotz der
Anerkennung der Haltung des Deutschen Kaisers ein starkes Mißtrauen
gegen die deutsche Politik. Der Generalstab sagt, man habe kein festes
Vertrauen bezüglich unseres Rückens in Europa gehabt. Es wäre wunder-
bar, wenn die deutsche Politik diesem Bedürfnisse der russischen nicht
entgegengekommen wäre. Hier sei nur ein Punkt kurz berührt, nämlich
der Vorwurf, daß die deutsche Politik durch den Ausbruch des ostasia-
tischen Krieges überrascht worden sei. Dieser Borwurf ist damals vom
Fürsten Bülow als unbegründet zurückgewiesen worden. Auch heute
wird das Urteil darüber gerechterweise schwerlich anders lauten können.
Bielleicht hat England vorber genauere Kunde von den japanischen Plänen
gehabt, im übrigen sind aber alle Mächte völlig überrascht worden, in
erster Linie Rußland selbst. Am Tage des japanischen Überfalles bei
Port Arthur noch waren die leitenden Staatomänner in St. Peters-
burg davon überzeugt, daß der Friede erhalten würde. Die Vertreter
der Mächte in Tokio, abgesehen wieder vielleicht von dem britischen,
haben gleichfalls mit Bestimmtheit nichts über die Absichten Japans in
Erfahrung bringen können. Sie wußten zwar längst, daß Japan rüstete
und daß es eine starke Kriegspartei gab; ob aber die japanische Regierung