Die „glücklich vollendete Annäherung“. 191
stellung freundlicher Wirtschaftsbeziehungen mit Frankreich wurde dieses
Band wesentlich schwächer und loser.
Dazu kam die geschickte Bearbeitung der italienischen Volkostim-
mung durch die Franzosen. Aicht nur daß man in der französischen
Presse auf das sorgfältigste vermied, die Italiener zu kränken oder miß-
trauisch zu machen, und daß man ebenso sorgfältig und gewandt ihnen
zu schmeicheln wußte, sondern es gelang auch, auf die italienische Presse
selbst einen ganz außerordentlichen Einfluß zu gewinnen. Der damals
neue französische Botschafter in Rom, ein früherer Zournalist, Mr. Bar-
rere, konnte sich das Berdienst zuschreiben, gerade auf diesem Wege der
Beeinflussung der öffentlichen Meinung große Erfolge erzielt zu haben.
Barrere gelang es auch im Januar 1900, ein Grenzabkommen zwischen
Assab und Obok, den italienischen bzw. französischen Besitzungen an der
Küste des Roten Meeres, zustande zu bringen, nachdem Grenzstreitig-
keiten hier seit dem Jahre 1891 stattgefunden hatten. 1898 hatte ein
französisches Kanonenboot bei Raheita Matrosen gelandet, die die italie-
nische Grenze überschritten. Der Zwischenfall, welcher schon in den
Beginn der freundschaftlichen Periode der italienisch-französischen Be-
ziehungen fiel, führte zur Wiederaufnahme der Berhandlungen, zum
Abkommen und zur endgültigen Beseitigung auch dieser Reibungefläche
zwischen den beiden Mächten.
Am 8. April 1898 traf unter Führung des Herzogs von Genua ein
italienisches Geschwader in Toulon ein und wurde dort vom Präsidenten
Loubet begrüßt. Der Herzog schätzte sich in seiner Ansprache glücklich,
auf Frankreich und seine Waffen zu Wasser und zu Lande zu toasten.
Präsident Loubet dankte für diese Sympathie und erklärte sich tief ge-
rührt durch den Freundschaftsbeweis, welchen Ztalien hiermit gegeben
habe. Delcassé unterstrich kurz darauf im Parlament diesen Besuch als
„unzweideutige Bekundung der herzlichen Beziehungen, die sich wäh-
rend der beiden letzten Zahre zwischen den beiden Nationen entwickelt“
hätten. Um dieselbe Zeit spielte sich in Osterreich-Ungarn ein Vorfall
ab, welcher auf die Tätigkeit Delcassés ein interessantes Licht warf: Es
wurde plötzlich bekannt, daß der Führer der ungarischen Unabhängig-
keitspartei, v. Ugron, mit Oelcassé zusammen eine Aktion gegen den
Oreibund ins Werk zu setzen versucht hatte. Ugron bzw. ein in Paris
lebender Bertreter von ihm war mit Oelcassé in Beziehungen getreten,
zunächst wegen der Gründung einer neuen ungarischen Partei, welche
die „Freundschaft zu Rußland und Frankreich“ politisch propagieren sollte
mit dem Endziele eines französisch- russisch - österreichisch - ungarischen
Bündnisses. Zu diesem Zwecke sollte zunächst eine Bank in Ungarn mit
französischem Gelde gegründet werden. Es mag dahingestellt bleiben,