Die „glücklich vollendete Annäherung“. 195
und dazu setzte man von Frankreich aus im Sinne des Wortes alle Hebel
in Bewegung, um Ztalien zu bewegen, seine Zugebhörigkeit zum Orei-
bunde aufzugeben oder den Bertrag derart abzuändern, daß der Bund
überhaupt seinen Charakter als solcher verloren hätte. In den italienischen
Kammern fanden erregte Debatten statt, desgleichen wurden in der
Presse Italiens die Fragen variiert: ob Italien mehr Lasten als Rutzen
vom Oreibunde habe, ob das Bündnisverhältnis nicht die Freundschaft
zu Frankreich schädigte, ob das friedliche Italien nicht durch den Orei-
bund in einen Krieg getrieben würde, ob schließlich die albanischen In-
teressen Italiens genügend sichergestellt wären.
Im März 1902 weilte der Deutsche Reichskanzler Fürst Bülow in
Venedig und traf dort mit dem italienischen Ministerpräsidenten Prinetti
zusammen. Nach gleichzeitigen halbamtlichen ÄAußerungen der italie-
nischen und österreichischen Presse hat die Erneuerung des Oreibundes
damals den Gegenstand sehr ernster Unterhaltungen zwischen den Ver-
tretern der beiden Staaten gebildet. Ende Zuni wurde aus Berlin halb-
amtlich gemeldet, daß vom Deutschen Reichskanzler, dem österreichischen
und dem italienischen Botschafter in Berlin die Erneuerung des unver-
änderten Oreibundvertrages unterzeichnet worden sei. Daß die Er-
neuerung in unveränderter Form erfolgt war, hat Fürst Bülow 1903 im
Reichstage auödrücklich festgestellt. In derselben Rede erklärte er, daß
dieses Mal die Erneuerung des Oreibundes nicht anstandslos und nicht
ohne Schwierigkeiten zustande gekommen wäre; der Dreibund habe in
Osterreich und in Italien Gegner, dazu kämen die dreibundfeindlichen
Strömungen außerhalb der Oreibundstaaten, „welche die Erneuerung
des Dreibundes zu hintertreiben suchten“. Fürst Bülow betrachtete diese
Tatsache als so offenkundig, daß er den Reichstagsabgeordneten sagte,
sie würden den Quertreibereien des vergangenen Frühjahrs und Vor-
sommers in Italien, Frankreich und England entnommen haben, daß
„etwwas los war“. Ein Fahr vorher hatte Bülow in Bezugnahme auf die
französisch-italienischen Mittelmeerabmachungen seine bekannte Wendung
gebraucht in bezug auf IZtalien: „In einer glücklichen Ehe muß der Gatte
auch nicht gleich einen roten Kopf kriegen, wenn seine Frau einmal mit
einem anderen eine unschuldige Extratour tanzt. Die Hauptsache ist,
daß sie ihm nicht durchgeht, und sie wird ihm nicht durchgehen, wenn
sie es bei ihm am besten hat. .“ Fürst Bülow fügte die Bemerkung
hinzu, daß „der Dreibund nicht mehr eine absolute Notwendigkeit“ sei.
Im Zahre darauf, nachdem der Bertrag erneuert worden war, erklärte
er, daß jene Bemerkung nicht unwesentlich zur unveränderten Erneuerung
des Dreibundes beigetragen habe.
Authentische Einzelheiten weiß man von den Schwierigkeiten na-
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