Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Oie „glücklich vollendete Annäherung“. 197 
  
Ztalien lebten ungefähr im Stande der Entente Cordiale miteinander, 
Großbritannien war nicht mehr dreibundfreundlich, sondern es hatte 
getan, was es konnte, um die Erneuerung des Bündnisvertrages durch 
Italien zu hintertreiben. Gewiß, dieses Hauptziel war nicht erreicht 
worden. Ztalien hatte, vor die schroffe Alternative unveränderter Er- 
neuerung oder Aufgabe des Vertrages gestellt, die Erneuerung vor- 
gezogen. Die italienischen Staatsmänner konnten sich, so wenig Sym- 
pathien sie zum Teil dem Oreibunde entgegenbrachten, doch nicht ver- 
hehlen, daß die Aufgabe eine Torheit sein würde, und zwar einmal 
wegen der tatsächlichen wirtschaftlichen Borteile, die sich zwar nicht aus 
dem Oreibundvertrage selbst ergaben, wohl aber mittelbar aus den Be- 
ziehungen zu den beiden Mächten, mit denen der Vertrag bestand. Des 
ferneren waren die italienischen Staatsmänner klug genug, um zu wür- 
digen, daß die internationale Stellung Italiens durch die Aufgabe des 
Dreibundes enorm verlieren, daß es in unmittelbarer Folge in die Va- 
sallenschaft Frankreichs und Englands geraten würde. Im I1. Abschnitt 
sind die grundsätzlichen Dreibundbeziehungen Italiens und ihre Ent- 
wicklung ausführlich erörtert worden. 
Man kann nicht bestreiten, daß die Erneuerung des Bündnisver- 
trages im Sommer 1902 einen Erfolg der deutschen Politik bildete. Auf 
der anderen Seite aber war ebensowenig zu bezweifeln, daß der Drei- 
bund nicht mehr dasselbe wie früher war. Wäre um jene Zeit ein Krieg 
ausgebrochen, so würde man das wahrscheinlich in wenig vorteilhafter 
Weise erfahren haben. Auch bei größter Lopyalität, die man damals ohne 
weiteres beim Könige von Ztalien voraussetzen mußte, wäre die italie- 
nische Regierung aller Wahrscheinlichkeit nach weder willens noch fäbig 
gewesen, der franzosenfreundlichen Volksstimmung genügend Widerstand 
zu leisten, um die im Kriege Italien obliegenden Bündnisverpflichtungen 
dem Worte und dem Geiste nach auch nur annähernd zu erfüllen. Ge- 
wiß hatte Fürst Bülow formal recht, wenn er sagte: italienisch-franzö- 
sische Abmachungen binsichtlich der Mittelmeerverhältnisse berührten die 
Verpflichtungen Italiens zum Oreibunde nicht, und ebensowenig die 
italienisch-französische Freundschaft, denn der Oreibund sei eine Ver- 
sicherungsgesellschaft, keine Erwerbsgesellschaft, er wolle sich nur ver- 
teidigen, aber niemanden angreifen. Die Tatsache blieb aber bestehen, 
daß der Bundeegenosse des Deutschen Reiches nicht nur eng befreundet 
mit derjenigen Macht war, deren Angriff das Bündnis galt, sondern 
eben mit dieser Macht ein Abkommen geschlossen hatte, welches Italien 
ihr gegenüber zu Diensten verpflichtete, zu Diensten für Frankreichs 
marokkanische Politik. Ein verpflichtendes Abkommen solcher Art, und 
dabei die verbürgte Hoffnung, derart selbst einst einen großen Vorteil
	        
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