Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

XXII Zur Einführung. 
  
Hiermit können wir Professor Valentin verlassen. Es war aber nötig, 
weil es zum Bilde der Zeit gehört, auch für eine spätere Zukunft nicht 
in Vergessenheit geraten zu lassen, was für Mächte und was für Methoden 
am Werke gewesen sind, um selbständige Meinungsäußerungen, soweit 
sie unbequem waren und man versäumt hatte, sie zu unterdrücken, mit 
Aufgebot aller Kräfte und sonderbarer Mittel in Mißkredit zu bringen. 
Zm Augenblick, wo diese Zeilen geschrieben werden, stehen einander 
Großbritannien und das Oeutsche Reich im schärfsten Entscheidungs- 
kampf gegenüber. Heute ist es selbst in Deutschland wohl der Mehr- 
zahl klar geworden, was das Ausland schon vor einem Jahrzehnt wufßte, 
wie u. a. auch die belgischen Gesandtenberichte beweisen, daß der Krieg 
und seine Vorbereitung lediglich auf dem Willen Großbritanniens be- 
ruhen, den friedlichen Wettbewerb des Deutschen Reiches nicht zu dulden. 
Vor diesen seinen Wagen hat Großbritannien die französische Revanche- 
lust und die russische Eroberungssucht gespannt und sich eine Anzahl anderer 
Vasallen angegliedert. Der eigentliche Wesenszug des Kampfes ist aber, 
wie gesagt, von Anfang an durch das Wort: Großbritannien gegen das 
Deutsche Reich —bezeichnet und im weiteren Sinne: die angelsächsische Welt 
gegen das Deutsche Reich. Die Bereinigten Staaten sind nicht als Bri- 
tanniens Basall, sondern als gleichberechtigter LTeilnehmer und solidarischer 
Interessent offen auf den Plan getreten, nachdem sie zwei und ein halbes 
Zahr mit allen Mitteln bestrebt gewesen waren, durch neutralitätswidrige 
Unterstützung unserer Feinde und durch unglücklich langen erfolgreichen 
Druck auf die deutsche Regierung das Deutsche Reich zur Aiederlage zu 
führen. ANicht der Krieg hat den deutsch-angelsächsischen Gegensatz geschaffen, 
denner warseit anderthalb Jahrzehnten da. Der Krieg hatihn aberoffenbart, 
und darauf kommt es an. Seine Entwicklung im Laufe des letzten Menschen- 
alters in ihren Grundzügen zu zeichnen, bildet somit den Hauptinhalt 
und den Grundzug dieses Buchez. Nicht „Tendenz“ hat diesen Grundzug 
hineingebracht, sondern die an der Hand der Tatsachen gewonnene Ein- 
sicht und Uberzeugung, daß es so ist und daß die politische Entwicklung 
und somit die Geschichte dieser Fahrzehnte im wesentlichen nicht anders 
aufgefaßt werden kann. Je weiter uns der Lauf der Zeit von jener vor 
dem Kriege liegenden Periode entfernt, desto klarer, ja selbstwerständlicher 
wird es den Deutschen werden, daß nicht „Englandhaß“ es so erscheinen 
ließ, nicht „Englandhaß“ eo war, der die Dinge so sah, sondern daß sich bier 
einer der weltgeschichtlichen Zusammenstöße vorbereitete, welchen die ganze 
Welt kommen sah, nur nicht der größte Teil des deutschen Bolkes. 
Professor Oncken hat in einem Artikel der Frankfurter Zeitung an 
meiner Darstellung bemängelt, daß sie die Rolle Englands dem Deutschen 
Reiche gegenüber auf eine zu einfache Formel gebracht habe. Das sei
	        
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