XXII Zur Einführung.
Hiermit können wir Professor Valentin verlassen. Es war aber nötig,
weil es zum Bilde der Zeit gehört, auch für eine spätere Zukunft nicht
in Vergessenheit geraten zu lassen, was für Mächte und was für Methoden
am Werke gewesen sind, um selbständige Meinungsäußerungen, soweit
sie unbequem waren und man versäumt hatte, sie zu unterdrücken, mit
Aufgebot aller Kräfte und sonderbarer Mittel in Mißkredit zu bringen.
Zm Augenblick, wo diese Zeilen geschrieben werden, stehen einander
Großbritannien und das Oeutsche Reich im schärfsten Entscheidungs-
kampf gegenüber. Heute ist es selbst in Deutschland wohl der Mehr-
zahl klar geworden, was das Ausland schon vor einem Jahrzehnt wufßte,
wie u. a. auch die belgischen Gesandtenberichte beweisen, daß der Krieg
und seine Vorbereitung lediglich auf dem Willen Großbritanniens be-
ruhen, den friedlichen Wettbewerb des Deutschen Reiches nicht zu dulden.
Vor diesen seinen Wagen hat Großbritannien die französische Revanche-
lust und die russische Eroberungssucht gespannt und sich eine Anzahl anderer
Vasallen angegliedert. Der eigentliche Wesenszug des Kampfes ist aber,
wie gesagt, von Anfang an durch das Wort: Großbritannien gegen das
Deutsche Reich —bezeichnet und im weiteren Sinne: die angelsächsische Welt
gegen das Deutsche Reich. Die Bereinigten Staaten sind nicht als Bri-
tanniens Basall, sondern als gleichberechtigter LTeilnehmer und solidarischer
Interessent offen auf den Plan getreten, nachdem sie zwei und ein halbes
Zahr mit allen Mitteln bestrebt gewesen waren, durch neutralitätswidrige
Unterstützung unserer Feinde und durch unglücklich langen erfolgreichen
Druck auf die deutsche Regierung das Deutsche Reich zur Aiederlage zu
führen. ANicht der Krieg hat den deutsch-angelsächsischen Gegensatz geschaffen,
denner warseit anderthalb Jahrzehnten da. Der Krieg hatihn aberoffenbart,
und darauf kommt es an. Seine Entwicklung im Laufe des letzten Menschen-
alters in ihren Grundzügen zu zeichnen, bildet somit den Hauptinhalt
und den Grundzug dieses Buchez. Nicht „Tendenz“ hat diesen Grundzug
hineingebracht, sondern die an der Hand der Tatsachen gewonnene Ein-
sicht und Uberzeugung, daß es so ist und daß die politische Entwicklung
und somit die Geschichte dieser Fahrzehnte im wesentlichen nicht anders
aufgefaßt werden kann. Je weiter uns der Lauf der Zeit von jener vor
dem Kriege liegenden Periode entfernt, desto klarer, ja selbstwerständlicher
wird es den Deutschen werden, daß nicht „Englandhaß“ es so erscheinen
ließ, nicht „Englandhaß“ eo war, der die Dinge so sah, sondern daß sich bier
einer der weltgeschichtlichen Zusammenstöße vorbereitete, welchen die ganze
Welt kommen sah, nur nicht der größte Teil des deutschen Bolkes.
Professor Oncken hat in einem Artikel der Frankfurter Zeitung an
meiner Darstellung bemängelt, daß sie die Rolle Englands dem Deutschen
Reiche gegenüber auf eine zu einfache Formel gebracht habe. Das sei