Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

200 Z. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903— 1008. 
Unmittelbar darauf besuchte König Eduard den König von Ztalien 
und den Papst und ging darauf nach Frankreich. Am 2. Mai 1903 traf 
der König in Paris ein, unbekümmert um die starke antienglische Strö- 
mung, die in der Bevölkerung nicht nur, sondern in den weitesten poli- 
tischen Kreisen Frankreichs bestand. König Eduard hatte die Franzosen 
richtig eingeschätzt; er stand ohne Zweifel durch P. Cambon in enger Ver- 
bindung mit Delcassé. Der König binterließ den besten Eindruck in Frank- 
reich. Bier Wochen darauf machte der Präsident Loubet in Begleitung 
Delcassés seinen Gegenbesuch in London. Die Reise der beiden Staats- 
männer wurde von einem begeisterten Beifallschor der britischen Presse 
begleitet. Seit fünfzig Zahren betrete zum erstenmal wieder ein Staats- 
oberhaupt Frankreichs großbritannischen Boden, möchte dieser Besuch 
von wohltätigen Folgen für die beiden Länder sein! — Die Trinksprüche 
waren nicht weniger bemerkenswert und überraschend für die nicht ein- 
geweihte politische Welt. König Eduard sagte, die Gesinnung Frank- 
reichs ihm gegenüber habe sich als wahrhaft freundlich gezeigt; die beiden 
Länder, die so nabe aneinander lägen, müßten auch die besten Nachbarn 
sein. Loubet sprach von der Aufrechterhaltung der Beziehungen, die 
immer enger geknüpft werden müßten. Das Abschiedstelegramm König 
Eduards enthielt den Satz: „Es ist mein heißester Wunsch, daß die An- 
näherung zwischen unseren beiden Ländern von Dauer sein möge.“ 
IZm Herbste desselben Jahres unterzeichnete Lord Lansdowne, da- 
mals Staatesekretär des Auswärtigen, mit dem französischen Botschafter 
in London, MNr. Paul Cambon, einen Schiedsgerichtsvertrag hinsichtlich 
Streitigkeiten juristischer Art, die sich diplomatischer Erledigung ent- 
zögen. Das war an sich nicht viel, aber es war ein Anfang und wurde 
auch allerseits als solcher aufgefaßt. Der große Umschwung der britischen 
Politik war nicht nur eingeleitet, sondern grundsätzlich schon vollzogen 
worden. Darin lag ohne weiteres und zwingend die Abkehr von Deutsch-- 
land und der Beginn des diplomatisch-politischen Kampfes gegen 
Deutschland enthalten. König Eduard hatte kurz nach Alntritt seiner 
Regierung sich in syompathischer Weise über die Person des Deutschen 
Kaisers geäußert, aber keinen offiziellen Besuch in Berlin gemacht, eben- 
sowenig wie in St. Petersburg. 
In Wien traf einen Monat nach König Eduard Zar RNikolaus ein. 
Es wurden Trinksprüche von ganz besonderer Herzlichkeit gewechselt. 
Sie bezogen sich auf das Einvernehmen der beiden Mächte in der Rege- 
lung der mazedonischen Frage. Die beiden Minister, Graf Goluchowski 
und Graf Lambsdorff, hatten sich im Frühling desselben Jahres bei Wien 
getroffen und die Konvention miteinander abgeschlossen, welche unter 
dem Namen der Mürzsteger Konvention bekannt geworden ist. Sie legte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.