Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

204 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908. 
  
während dieses Krieges glänzend bewährt. Hier liege der Weg, den das 
Großbritische Reich zu gehen habe. Wenn dieses Ziel, ein organisiertes 
großbritisches Imperium, einmal verwirklicht sei, brauche das Britenreich 
keine Bündnisse mehr mit anderen Mächten. Dazu kam als Rückenstärkung 
das Bündnis mit Japan. Vor seiner damaligen Reise nach Südafrika 
sagte Chamberlain: „Ich gebe nach Südafrika mit dem ernsten Wunsche, 
alle Streitfragen zu vergessen, und mit dem einzigen Verlangen, das 
verwandte Volk zu einer großen afrikanischen Nation unter britischer 
Flagge zu vereinen.“ Im folgenden Jahre trat dieser bedeutende, ener- 
gische und weitblickende Staatsmann aus dem Kabinette aus, um sich 
ganz seiner wirtschaftlichen Agitation für die imperialistische Tarifreform 
widmen zu können. 1902 war der greise Lord Salisbury zurückgetreten, 
sein #effe Balfour Premierminister geworden. Er konnte sich nicht 
entschließen, den Boden der Chamberlainschen Zollpolitik zu betreten. 
Chamberlain trat aus dem Kabinette aus, um als Privatmann seine 
Agitation fortzusetzen. 
Das Zusammengehen Englands mit dem Deutschen Reiche in der 
Venezuela-Angelegenheit (siehe Seite 209 ff.) hatte in den deutschfeind- 
lichen Kreisen Großbritanniens scharfen Widerspruch, ja die heftigsten 
Ausbrüche der öffentlichen Meinung erregt. Der neue Premierminister 
Balfour rechtfertigte dieses Zusammengehen nicht, wie es früher in sol- 
chen Fällen geschehen war, mit den freundschaftlichen Beziehungen usw., 
sondern einfach mit der Zweckmäßigkeit: man habe doch nicht zugleich 
und am selben Ort zwei ganz verschiedene Blockaden unterhalten können. 
Eine Gefahr für Großbritannien, vom Deutschen Reiche in irgendwelche 
Streitigkeiten mit dritten Mächten bineingezogen zu werden, habe nicht 
vorgelegen. Ein anderer Regierungsvertreter äußerte, man hätte schon 
deshalb den deutschen Vorschlag zu gemeinsamem Vorgehen nicht zu- 
rückweisen können, weil sich sonst ein Konflikt zwischen den blockieren- 
den Schiffen ergeben haben würde, oder aber man hätte die englischen 
Ansprüche an Benezuela hinter die deutschen zurückstellen müssen; das 
wäre sicher ein noch größerer Fehler gewesen. Die Opposition griff da- 
gegen die britische Regierung beftig an wegen ihrer angeblich unbestän- 
digen und schwankenden Politik dem Deutschen Reiche gegenüber. Die 
Regierung habe stets unter der Suggestion gestanden, daß das Deutsche 
Reich doch einmal Helfer gegen Rußland sein werde. Sir Edward Grey, 
der spätere langjährige Staatssekretär des Auswärtigen im liberalen 
Kabinette, trat damals — im Sommer 19031 — für eine Annäherung 
Großbritanniens an Rußland ein und führte in längerer Rede aus: das 
Zusammengeben Englands mit dem Deutschen Reiche in China sei ein 
Mißgriff gewesen. Großbritannien habe keinerlei Unterstützung von
	        
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