208 J. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908.
vor allem auch allgemein angesichts der deutschen und amerikanischen
Konkurrenz.
Lord Lansdowne, der Sekretär des Auswärtigen, aber schrieb der
deutschen Regierung, daß das handelspolitische Verhältnis zwischen
Deutschland und Großbritannien eine sehr ernste Wendung nehmen
werde, wenn sie auf ihrem Standpunkt bliebe oder gar das britische Mutter-
land ebenso wie Kanada behandle. Die englische Regierung wolle
die formale Berechtigung des deutschen Vorgehens nicht in Abrede
stellen, es sei aber inkonsequent, wenn Deutschland auf der einen Seite
die englischen Kolonien als selbständig behandle, auf der anderen das
britische Mutterland für selbständige Maßnahmen der Kolonien bestrafen
wolle.
Oieser Streit lieferte ein Beispiel, wie die Trennung von Politik und
Wirtschaft nicht immer möglich ist, vor allem nicht bei einem Volke wie
dem englischen, das an und für sich, in allen seinen Einrichtungen und in
seiner ganzen Politik den Handel verkörpert. Sein Handel, wie jener
britische Seeoffizier sagte, bildet für das britische Bolk die Grundlage
seines Lebens, seiner Politik und aller seiner Maßnahmen. Seine sou-
veräne Unabhängigkeit und Selbstherrlichkeit wird die seebeherrschende
Flotte verbürgen. Seit den Befreiungskriegen hatte Großbritannien
mit seinem Handel und als Beceherrscherin der Ozeane eine souveräne
Stellung eingenommen, lange Jahrzehnte hindurch auch auf dem euro-
päischen Festlande. Immer hatte es gegen den jeweilig mächtigsten
Festlandstaat andere Helfer auf dem Festlande gefunden, mochte es sich
nun um Rußland oder Frankreich handeln. Die überlegene Kunst und
Energie Bismarcks hatten mit einer Großbritannien überraschenden
Schnelligkeit plötzlich ein mächtiges Deutsches Reich in das Zentrum
von Europa hineingesetzt, man hatte sich ihm gegenüber wohl oder übel
freundschaftlich gestellt. Nach Biomarcks Abgang batten die britischen
Staatsmänner gehofft, sich das Deutsche Reich „als dummen und starken
Kerl auf dem Festlande“ dienstbar zu machen. Das war nur kurze Zeit
gelungen. Dann kam die Zwischenperiode, wo man trotz aller Reibungen
die Versuche, Deutschland zu gewinnen, fortsetzte. Diesem Bersuche
setzte das JZahr 1902 ein Ende. Zu allen Enttäuschungen und Argernissen
politischer, zu allen Besorgnissen wirtschaftlicher Natur kam nun noch
diese Zollstreitfrage.
Die deutsch-kanadisch-britische Angelegenheit veranschaulicht von
einer neuen Seite die Schwierigkeiten, denen das Deutsche Reich bei
jedem, auch dem kleinsten Schritte begegnete, den es über seine Landes--
grenzen hinaus zu tun versuchte. Uberall kannte und fürchtete man den
Konkurrenten, die Fabel von deutschen Seebeberrschungs- und Welt-