Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

214 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908. 
  
im Verein mit dem deutschen Kreuzer „Vineta“ ein Küstenfort. Vorher 
hatten englische und deutsche Streitkräfte gemeinsam die venezolanischen 
Kriegeschiffe fortgenommen. Deutsche und englische Landungskorps 
wurden zu La Guapra an Land gesetzt und befreiten dort gefangene deutsche 
und englische Staatsangehörige. Deutsche und englische Kriegsschiffe 
beschossen zusammen die Forts von La Guapra und von Puerto Cabello. 
Um Mitte Dezember schloß sich auch Italien der deutschen und der bri- 
tischen Aktion an. Kurz darauf wurde aus der Handelsblockade eine 
militärische Blockade. Im Februar gab dann Benezuela nach, und die 
deutschen Ansprüche wurden anerkannt, ebenso die der beiden anderen 
Mächte, während über einzelne Punkte eine international gemischte 
Kommission tagte, auch ein Vertrag zwischen Benezuela und den Mächten 
zustande kam. Der Kaiser von Rußland wurde gebeten, einige Einzel- 
fragen als Schiedsrichter zur Erledigung zu bringen. 
Für die politische Geschichte des Deutschen Reiches sind die Ein- 
zelbeiten jener Forderungen an Benezuela und ihre Erledigung ohne 
wesentliches Interesse. Uberhaupt bildeten der Streitfall und die Aktion 
an sich keineswegs ein politisches Ereignis von Bedeutung. Man hat 
damals hier und da in der deutschen Offentlichkeit gedacht, das Deutsche 
Reich werde vielleicht eine Gelegenheit finden und benutzen, um einen 
transatlantischen Fußpunkt zu erwerben. In Deutschland war man viel- 
fach enttäuscht über den Ausgang der Aktion, der in keinem richtigen 
Verhältnisse zu dem großen in Bewegung gesetzten Apparate gestanden 
hätte. Der Apparat war ohne Zweifel groß, und die deutschen For- 
derungen an Venezuela waren im Berhältnis zu diesem Apparate nicht 
so bedeutend, sie beliefen sich im ganzen auf ungefähr zwölf Millionen 
Mark. Was die Kosten der Blockade betraf, so waren sie aber auch gering, 
weil man nur solche Schiffe dazu genommen hatte, die bereits in den ost- 
amerikanischen Gewässern weilten. Es war nicht nur dem Deutschen 
Reiche, sondern auch den anderen genannten Mächten nicht möglich ge- 
wesen, trotz jahrelanger Bersuche und Oruckmittel auch nur Bereitwillig-- 
keit bei der venezolanischen Regierung zur Erfüllung ihrer Verpflich 
tungen hervorzurufen. Im Gegenteil nahmen unerhörte Willkürmaß- 
nahmen gegen die in Venczuela lebenden Ausländer immer mehr zu, 
und so wurde die Sache eine Frage ihres Ansehens und damit ihrer Exi- 
stenz in Venezuela, mithin eine Frage des Ansehens des Deutschen Rei- 
ches. Diese Auffassung hatte auch die britische Regierung, welche sonst, 
und zwar traditionell, durchaus nicht geneigt ist, Privatforderungen 
britischer Staatsangehöriger mit Kanonen zu vertreten und durchzu- 
setzen. So zeigte sich ein energisches Vorgehen als geboten. 
Von ungleich größerer Bedeutung waren die politischen Begleit-
	        
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