Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Die Entente Cordiale — Marokko — Hull — Kiel. 235 
  
Machtfaktor Frankreich auf die Dauer bequemer zu leben sei als mit dem 
nach jeder Richtung wachsenden Machtfaktor Deutschland. Ihn hoffte 
man aber durch vereinte Kräfte einzuschüchtern. Auch soll König Eduard 
wie mehrere englische Staatsmänner und ein großer Teil der öffentlichen 
Melnung Großbritanniens dem Deutschen Kanzler besondere Abneigung 
entgegengebracht haben. 
Das englisch-französische Abkommen wurde in der Presse beider 
Länder mit großer Freude bewillkommnet, vielfach trat gleichzeitig die 
Spitze gegen Deutschland hervor. In den Parlamenten der beiden En- 
tentemächte äußerte man sich dagegen zurückhaltend. In der französi- 
schen Kammer fanden sich damals sogar Stimmen, welche die Regierung 
heftig anklagten, weil sie Agppten preisgegeben habe, und Mr. Deschanel 
erklärte: Frankreich habe alles der Jdee einer Eroberung Marokkos ge- 
opfert. England mache das bei weitem bessere Geschäft. Der Deputierte 
Delafosse war weitsichtiger, er sagte: „Die Herrschaft Englands in Agypten 
ist längst eine vollzogene Tatsache. Für die Preisgabe unserer unfrucht- 
baren theoretischen Rechte in Agypten haben wir uns ersprießliche und 
tatsächliche Rechte in Marokko gesichert. Marokko ist uns hundertmal 
wertvoller, als Agypten je war, auch weil es unds gegebenenfalls Kon- 
tingente militärischer Streitkräfte zu liefern vermag, wie wir sie für unsere 
Kolonien in Afrika brauchen. Das Zdeal der Diplomatie wäre: ein 
Dreibund zwischen Frankreich, England und Rußland.“ Eine 
für jene Zeit wirklich bemerkenswerte politische Erkenntnis eines Poli- 
tikers, der gleichwohl der damaligen Regierung und Oelcassé selbst poli- 
tisch sehr fern stand! Auffallend war, daß Delcassé damals, also schon im 
November 1904, offen in der Kammer erklärte: das Ziel der französischen 
Regierung, als sie das Abkommen abschloß, sei gewesen, das Ubergewicht 
Frankreichs in Marokko herzustellen. Frankreich habe in Marokko die 
Hände frei. Das Abkommen werde Frankreichs Stellung in der Welt 
stärken. Das Abkommen wurde von Kammer und Senat angenommen. 
Die Außerung Delcassés richtete sich mittelbar gegen Deutschland, denn 
ein Ubergewicht Frankreichs in Marokko in der ganzen dehnbaren Be- 
deutung dieses Begriffes lief dem Inhalte des Madrider Bertrages und 
auch des deutsch-marokkanischen Handelsabkommens zuwider. 
In der spanischen Kammer nahm der frühere Minister, Graf Roma- 
nones, die Erörterung des Abkommens mit Frankreich zur Gelegenheit 
der Feststellung, daß Spanien von 1890 bis 1895 dem Oreibunde ange- 
hörte, aber zu jenem Termine seine Zugehörigkeit gekündigt habe. Uber 
den Vertrag war man sehr erfreut und erklärte, daß Frankreich in Marokko 
überall den Fortschritt, die Menschenliebe und Humanität verbreite. 
Der Ministerpräsident erwähnte noch jenen, von Spanien nicht ratifi-
	        
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