Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

XXVI Zur Einführung. 
haften Notwendigkeit erfolgt wäre. Im Gegenteil dürfte eine geschick- 
tere und konsequentere deutsche Politik zum allermindesten Ztalien neu- 
tral erhalten haben. Damit soll nicht gesagt werden, daß die letzten, 
während des Krieges erfolgten deutschen Bemühungen durch den früheren 
Reichskanzler Fürsten Bülow nicht auf der Höhe gestanden hätten, im 
Gegenteil! Sie standen auf der Höhe, aber Fürst Bülow kam in eine 
Lage hinein, die verfahren und gewissermaßen unmöglich war. Die vor- 
herige Handhabung der deutschen Politik Italien gegenüber hatte einen 
Erfolg der Sendung des Fürsten Bülow unmöglich gemacht. Die geo- 
graphische Bedingtheit und ebenso die wirtschaftliche bleiben für Italien 
bestehen und werden auch nach dem Kriege ihre Wirkung, soweit cs mög- 
lich ist, zum Ausdruck bringen, je nachdem, wie der Krieg ausgeht, in ihrer 
Richtung beeinflußt. Die vor dem Kriege anscheinend gemachten politischen 
Bersuche, Italien und ÖOsterreich-Ungarn zu einer das Mittelmeer, wenn 
auch nicht beherrschenden, aber doch zu einer sehr starken maritimen Macht- 
gruppe auf gemeinsamer Basis zu machen, scheiterten und mußten schei- 
tern, weil die Lage zu sehr verschärft war. Der Gedanke konnte freilich 
nur als richtig bezeichnet werden. Auch der Krieg hat gezeigt, daß Italien 
und Osterreich-Ungarn vereinigt und nachher weiter verstärkt durch den 
Beitritt des Türkischen Reiches wahrscheinlich die Beherrschung des Mittel- 
meeres gegen die französische Flotte erreicht baben würden. Großbri- 
tannien konnte sich, während des Krieges ganz durch Kampf gegen Deutsch- 
land in Anspruch genommen, nur mit wenigen älteren Schiffen im Mittel- 
ländischen Meere beteiligen, wie u. a. die Oardanellenaktion gezeigt 
hat. Die Lage im Mittelländischen Meere und gerade auch die Stellung 
Italiens wird immer ein kompliziertes und wechselndes politisches Pro- 
blem bleiben. Deswegen ist das Kapitel „Die Lücke in der Rüstung des 
Dreibundes“ auch in der neuen Auflage geblieben und wird seine Be- 
rechtigung nicht nur für die Beurteilung der Bergangenheit, sondern auch 
für die politischen Fragen der Zukunft behalten. 
Die kurze Periode der Caprivischen Politik Anfang der neunziger Jahre 
legt die Grundlage für den Weltkrieg 1914. Der entscheidende Schritt war 
der überstürzte politische Bruch mit Rußland durch die Tatsache der Nicht- 
erneuerung des deutsch-russischen Rückversicherungsvertrages. Bismarck hat 
sich einst als größtes politisches Berdienst angerechnet, daß es ihm gelungen 
sei, während seiner Amtsführung einen europäischen Koalitionskrieg gegen 
das Deutsche Reich zu verhindern. Dem großen Staatsmann ist es seit den 
siebziger Jahren klar gewesen, daß bier die Gefahr für das junge Deutsche 
Reich läge, weil es als neues, starkes und lebenskräftiges Gebilde in der 
Nitte des europäischen Erdteiles den alten europäischen Mächten sämt- 
lich —mit Ausnahme Österreich-Ungarns und damals Italiens — unbequem
	        
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