Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Der britische Flottenfrontwechsel — Die Bedeutung der Dreadnoughtpolitik. 243 
  
  
  
Der britische Flottenfrontwechsel — Die Bedeutung der 
Dreadnoughtpolitik. 
Die deutsche Flotte war inzwischen planmäßig gefördert worden, 
zunächst nach dem Gesetze von 1898, und von 1901 an nach dem Gesetze 
von 1900. Jedes Zahr wurden zwei Schlachtschiffe und ein Panzerkreuzer 
auf Stapel gelegt, die freilich qualitativ sich mit gleichaltrigen britischen 
Schiffen nicht messen konnten. Zedes Zahr wurde der Bau von zwei 
kleinen Kreuzern und einer Torpedobootödivision begonnen. Ebenso plan- 
mäßig erhöhte man den Offizier- und Mannschaftenbestand der Marine, 
und die Werften wurden mit allen ihren Einrichtungen erweitert. Man 
konnte sich in Großbritannien um 1904 nicht mehr darüber im unklaren 
sein, daß das deutsche Flottenprogramm von 1900 pünktlich durchgeführt 
werden würde, zumal in der Bauausführung niemals Verzögerungen ein- 
traten. Dazu kam, daß der Deutsche Reichstag von Jahr zu Jahr höheres 
Verständnis für die Notwendigkeit einer starken deutschen Flotte nicht 
nur, sondern auch für die großen Vorteile der gesetzlichen Festlegung 
ihrer Stärke und ihres Bauprogrammes zeigte. 
Zn England beobachtete man diese Entwicklung mit Unzufriedenheit, 
und in den Parlamentsverhandlungen des Frühjahrs 1904 tauchte wieder 
einmal der Gedanke auf, ob man nicht mit den Regierungen der Groß- 
mächte in Verbindung treten und über eine VBerringerung der Flotten- 
programme mit ihnen beraten wolle; dieser Antrag wurde von einem 
Mitgliede der damaligen liberalen Opposition gestellt. Der Kriegssekretär 
Nr. Arnold Forster erklärte, man habe den kontinentalen Regierungen 
bereits „in denkbar öffentlichster Weise“ einen derartigen Vorschlag ge- 
macht, und zwar habe dieses Lord Goschen als erster Lord der Admiralität 
getan. „Und ich wiederhole jetzt in formellster Weise, daß die britische 
Regierung bereit ist, die Vorschläge jeder fremden Macht über eine Ver- 
ringerung der Rüstungen zur See in Erwägung zu ziehen. Unsere Macht 
zur See ist eine Notwendigkeit, es gibt aber kein einziges europäisches 
Land, das nicht hinsichtlich der Gefahr eines Angriffes von England aus 
seine Flotte abschaffen könnte; aber England selbst könnte in dem Augen- 
blicke, wo sein UÜbergewicht zur See dahin ist, einer Invasion ausgesetzt 
sein.“ 
Der frühere Unterstaatssekretär des Auswärtigen und sehr angesehene 
Sir Charles Dilke wies damals auf Deutschland hin und sagte: man ver- 
größere dort die Flotte mit einer außergewöhnlichen Schnelligkeit und 
richte sich damit offensichtlich gegen England. Und der Premierminister 
Balfour erklärte, daß die Lage Deutschlands zur See so sehr viel günstiger 
sei als die Englands, weil die deutsche Flotte nicht die auswärtigen Ver- 
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