Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

244 5. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908. 
  
pflichtungen der englischen habe, sondern immer in nur zwei Häfen kon- 
zentriert bleiben könne. 
Uber die schnell wachsende Flotte der Vereinigten Staaten zu spre- 
chen, beschränkte man englischerseits in jenen Jahren auf das Notwen- 
digste, in der Furcht, dort Berstimmung zu erregen, dagegen war man 
bestrebt, durch Preßbeeinflussung in den Vereinigten Staaten die Ansicht 
großzuziehen, daß Deutschland eine seinen geringen Bedürfnissen absolut 
nicht entsprechende Flotte baue, um eines Tages England anzugreifen, den 
Frieden der Welt frivol zu stören und schließlich auch die BVereinigten Staa- 
ten zu gefährden. "Durch die deutsche Bautätigkeit würden alle Mächte 
gezwungen, mitzugehen, damit in steigende AUnkosten gestürzt, unter gleich- 
zeitiger Spannung der politischen Beziehungen allerseits. Bei dem großen 
Mißtrauen, welches, wie wir sahen, in den Vereinigten Staaten ohnehin 
gegen Deutschland bestand, fielen diese und ähnliche Andeutungen auf 
fruchtbaren Boden. 
Der Premierminister Mr. Balfour und Mr. Chamberlain — der seit 
1903 aus dem Kabinette ausgetreten war — benutzten auch diese Gelegen- 
heit, um den imperialistischen Gedanken zu fördern. Ende 1904 empfing 
Balfour eine Abordnung des vor einigen JZahren gebildeten Imperial 
Federation Defence Committee und erklärte ihr, es sei zur See ein 
früher ungeahnter Wechsel von großer Bedeutung eingetreten. Das Land 
müsse mit ganz neuen Kombinationen rechnen, und die Lage sei voll 
von Gefahren für die Einheit nicht nur, sondern sogar für die Unabhängig- 
keit der einzelnen Teile des britischen Kolonialreiches. Die wachsende 
Größe dieser Gefahren mache es immer nötiger, daß die Kolonien einen 
größeren Anteil an der gemeinsamen Last für die Verteidigung des Rei- 
ches übernähmen; ihr Anteil sei bis jetzt noch viel zu klein. 
Im Oezember des Jahres 1904 machte die britische Admiralität den 
Plan einer Neuorganisation der Flotte bekannt, welcher mit dem Jahre 
1905 in Kraft treten sollte. Die Oenkschrift, welche der erste Lord der 
Admiralität, Lord Selborne, dem Organisationsplane mitgab, enthielt die 
folgenden Sätze, welche den Beginn der neuen Epoche zur See drastisch 
bezeichnen: 
„In der Entwicklung der modernen Flotte ist nicht nur binsichtlich 
des Flottenmaterials, sondern auch der strategischen Verhältnisse ein 
neuer Abschnitt erreicht. Auf der westlichen Halbkugel sind die Berei- 
nigten Staaten im Begriffe, sich eine große und starke Flotte zu schaffen, 
deren Größe nur durch die Geldmittel beschränkt wird, die die Vereinigten 
Staaten für sie aufwenden wollen. Auf der östlichen Halbkugel ist die 
kleinere, aber moderne japanische Flotte der Probe eines Krieges unter- 
worfen worden und hat sich ihr gewachsen gezeigt. Die französische Marine
	        
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