Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Der britische Flottenfrontwechsel — Die Bedeutung der Dreadnoughtpolitit. 245 
steht bis jetzt noch allen anderen voran. Eine neue deutsche Flotte von 
sehr leistungsfähigem Charakter ist geschaffen worden; sie ist in der glück- 
lichen Lage, sich fast ganz in den Heimatgewässern konzentrieren zu 
können.“ 
Bis damals waren die britischen Geschwader folgendermaßen verteilt 
und bemessen worden: Die Heimatflotte, gestützt auf die Station Port- 
land, umfaßte: acht ältere (nur ganz lose organisierte) Linienschiffe, vier 
große Kreuzer und leichte Fahrzeuge; die Kanalflotte (Frische Station 
Berehaven) sechs Schlachtschiffe und fünf große Kreuzer; das Kreuzer- 
geschwader (Station Portland) fünf große und zwei kleine Kreuzer. Im 
Mittelländischen Meere (Stationen Malta und Gibraltar): zwölf Schlacht- 
schiffe, fünf große und acht kleine Kreuzer; in Ostasien fünf Linienschiffe, 
sieben große und elf kleine Kreuzer. Mit kleineren Kreuzerkontingenten 
waren außerdem besetzt: die nordamerikanische Station, die südatlantische, 
die pazifische, die westafrikanische, die indische und die australische. 
Der Schwerpunkt dieser Verteilung lag durchaus im Mittelländi- 
schen Meere, dem schon lange bestehenden Grundsatze der britischen Ad- 
miralität entsprechend, daß die Streitkräfte des Mittelmeeres den dort 
befindlichen französischen stets und in jeder Richtung überlegen zu sein 
hätten, nicht nur der Zahl der Schiffe, sondern auch Stärke nach. Des- 
halb legte man die neuesten und stärksten Linienschiffe in das Mittel- 
ländische Meer. Die Kanalflotte war als Gegengewicht gegen französische 
Seestreitkräfte im Nordatlantischen Ozean gedacht, und das Kreuzer- 
geschwader für eine Verwendung je nach Gelegenheit, seiner für dama- 
lige Berhältnisse hohen Beweglichkeit entsprechend. Die Heimatflotte 
setzte sich, wie gesagt, durchweg aus älteren Schiffen zusammen, und 
die 1904 dort versammelten acht Linienschiffe konnten als eine auf der 
Höhe stehende Kampfeinheit kaum angesprochen werden. 
Die neue Organisation verwandelte das Bild vollkommen. Im Mittel- 
ländischen Meere ließ man nur acht ältere Linienschiffe und vier Kreuzer, 
die fünf Linienschiffe des fernen Ostens wurden vorläufig noch dort ge- 
lassen, aber ihre Rückberufung gleichzeitig in Aussicht genommen; sie 
erfolgte auch nach Erneuerung und Erweiterung des englisch-japanischen 
Bündnisses und nachdem durch die Schlacht von Tsuschima im Sommer 
1905 die russische Flotte im fernen Osten vernichtet worden war. An- 
statt der biöherigen, militärisch nicht hochwertigen Heimatflotte wurde 
eine neue „Kanalflotte“ gebildet. Man bemaß deren Stärke zunächst auf 
zwölf Linienschiffe — ganz kurz darauf stieg sie auf fünfzehn —, dazu 
kamen ein Kreuzergeschwader von sechs Panzerkreuzern und eine große 
Anzahl von leichten Kreuzern und Torpedofahrzeugen. Demgegenüber 
bestand die deutsche Hochseeschlachtflotte im Sommer 1905 aus dreizehn
	        
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