Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Canger. 255 
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Krieg zu führen als später einen schweren, oder aber: als gutwillig die 
britische Suprematie durch Deutschland einschränken zu lassen. 
So war die Lage tatsächlich eine dem Frieden gefährliche. Irgend- 
ein englisch-deutscher Zwischenfall innerhalb jener kritischen Periode 
würde möglicherweise eine Kriegöstimmung in England erzeugt haben, 
welcher Widerstand zu leisten König und Kabinett für bedenklich und 
aussichtslo5 erachtet hätten. Die Politik König Eduards ging vorläufig 
auf Vermeidung eines Krieges aus und suchte andere Mittel zu finden, 
um die „deutsche Gefahr“ unschädlich zu machen. Oie Entente Cordiale 
und die „Dreadnougbt“ waren die ersten Schritte. 
Das Deutsche Reich, mit seiner Politik auf allen Seiten zurückweichend, 
um den Frieden zu erhalten, in die Oefensive gedrängt, rüstete weiter. 
Der Gedanke, daß man hindurch wolle, daß Durchhalten dagegen am Ende 
nützen müsse, setzte sich mit jedem Jahre mehr durch. 
Tanger. 
Es erregte allgemeines Aufsehen, als im März des Zahres 1905 Fürst 
Bülow auf Kritiken im Reichstage hbin erklärte, er könne sehr wohl ver- 
stehen, wenn man dem „in und um Marokko“ Aufmerksamkeit widme: 
„Ich erachte es als eine Pflicht der deutschen Regierung, dafür zu sorgen, 
daß auch in Zukunft unsere wirtschaftlichen Interessen in Marokko nicht 
geschädigt werden. Der gegenwärtige Augenblick ist aber für weitere 
Erklärungen nicht geeignet. Ich behalte mir solche für später vor.“ — — 
Wenn man mit diesen Worten diejenigen verglich, welche der Reichs- 
kanzler im Jahre vorher auf das englisch-französische Abkommen ange- 
wendet hatte, so lag auf der Hand, daß seitdem Ereignisse eingetreten 
sein mußten, die seine Beurteilung des Abkommens verändert hatten. 
Die öffentliche Meinung in Oeutschland wollte diese Ursachen durchweg 
in dem Drängen nationaler deutscher Kreise auf eine aktive deutsche Ma- 
rokkopolitik mit dem Endziele einer deutschen Fußfassung dort erblicken. 
Diese Auffassung widerlegte der Kanzler freilich schon durch den obigen 
Satz: Er erachte es für Pflicht, dafür zu sorgen, daß auch in Zukunft unsere 
wirtschaftlichen Interessen nicht geschädigt würden, mit anderen Worten: 
Erhaltung eines Zustandes in Marokko, der die Bestimmungen der Ma- 
drider Konvention gewährleiste. 
Wenige Tage darauf wurde die Welt durch die Tangerfahrt Kaiser 
Wilhelms in Erstaunen versetzt. Was konnte den Fürsten Bülow zu einem 
derart bedeutenden politischen Akte veranlaßt haben? 
Seite 220 ff. sind die öffentlichen und die geheimen Abkommen 
zwischen England und Frankreich, Spanien und Frankreich und der eng-
	        
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