Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

270 5. Abschnitt. Bor und nach Algeciras. 1903 — 1908. 
  
ihr überlieferungsmäßiges Verfahren: Vereinigung möglichst aller euro- 
päischen Festlandmächte gegen die stärkste Festlandmacht, — unmöglich 
gemacht haben. Aus allen diesen Gründen griff man im Zahre 10905 
sest zu und zeigte sich in der Tat als vollkommen solidarisch mit Frankreich. 
ARichts fürchteten die Londoner Staatsmänner von Anfang an mehr, 
als daß Deutschland und Frankreich zu einer friedlich-freundlichen Eini- 
gung kommen könnten. Der Augenblick, in dem diese Furcht vielleicht als 
begründet erscheinen konnte, war eine kurze Zeitperiode nach dem Sturze 
Delcasskc. Der Anlaß seines Rücktrittes war, wic im vorigen Kapitel 
ausgeführt wurde, die Stellungnahme zum deutschen Vorschlage: die 
marokkanischen Streitfragen durch eine internationale Konferenz zu regeln. 
Der französische Ministerrat hatte den Vorschlag unter der mitgeteilten Be- 
gründung angenommen, während Delcassé, wie auch Fürst Bülow in sei- 
nem Werke „DOeutsche Politik“ schreibt, einer solchen Zustimmung den 
Krieg vorzieben wollte, da er der Unterstützung Großbritanniens sicher 
und überzeugt war, Deutschland werde sich entweder bis zum Nachgeben 
einschüchtern lassen oder durch den von Großbritannien geführten See- 
krieg so leiden, daß es den Landkrieg nicht mit Nachdruck führen könne. 
Als Delcassé zurückgetreten und damit die Zustimmung Frankreichs 
zur Konferenz entschieden war, machte die britische Politik eine ihrer 
charakteristischen Schwenkungen: während man bis dahin in London alles 
getan hatte, um das Zustandekommen einer internationalen Marokko- 
konferenz zu hindern, beeilte man sich jetzt, hinter Frankreich zu treten 
und zu erklären, die französische Regierung und Frankreich würden be- 
dingungslose britische Unterstützung finden, ob die französische Regierung 
sich weigern würde, auf den Konferenzvorschlag einzugehen, oder ob sie 
ihre Zustimmung erteilen werde. Die „Times“ schrieb in jener Periode: 
es sei zu wünschen, daß Herr Rouvier die Entente Cordiale fortsetzen werde, 
welche mehr geworden sei als eine Politik der beiden Regierungen, näm- 
lich ein wirklicher Bund der beiden Völker. Entsprechend war die Stellung- 
nabme der großbritannischen Presse gegen Deutschland. Sie war voll 
Wut und Gehässigkeit und erfüllte planmäßig die öffentliche Meinung 
mit Mißtrauen durch Hinweise auf die in den Anfängen liegenden deut- 
schen Flottenpläne, die angeblichen Absichten des Deutschen Reiches, 
später Großbritannien anzugreifen, ferner Frankreich zu vernichten, 
Holland, Belgien und Dänemark zu annektieren. Als der Kaiser im Sommer 
1905 mit dem Zaren zusammengekommen war, auch in Kopenhagen ge- 
weilt hatte, erregte das bitteren Unwillen in England. Man sah daraus, 
wie tief schon damals der Gedanke: Deutschland müsse ganz isoliert und 
dann auf jede Weise zur Unterwerfung gezwungen werden, in Groß- 
britannien Wurzel gefaßt hatte. Während tatsächlich die deutsche Politik
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.